Der FC Bayern und seine Juden
übernimmt den FC Basel. Lange bleibt er nicht in der Grenzstadt. Anfang 1935 versichert sich Feyenoord Rotterdam seiner Dienste. 1936 und 1938 wird Feyenoord mit Dombi Meister der Niederlande. Als das Team aus der Hafenstadt in der Saison 1938/39 unter den Erwartungen bleibt, bittet Dombi um die Auflösung seines Vertrags.
Dombi und der Ex-Nürnberger Jenö Konrád sind nicht die einzigen jüdischen Übungsleiter österreichisch-ungarischer Herkunft, die Deutschland verlassen müssen. Auch Gyula Kertész, ein Bruder jenes Vilmos Kertész, der 1919 mit dem MTK Budapest an der Münchner Marbachstraße vorgespielt hatte, kehrt dem Land den Rücken. In den 1920ern hatte Kertész diverse deutsche Klubs wie den Sportclub Victoria Hamburg und Union 03 Altona sowie in Frankreich und Skandinavien trainiert. Einen Namen machte er sich hierzulande aber vor allem als Trainer des Hamburger SV, den er im Januar 1931 übernahm. In dieser Saison führte der Ungar, »dem ein sagenhafter Ruf vorauseilte« (Werner Skrentny), die Rothosen bis ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft, wo man dem späteren Meister Hertha BSC Berlin knapp und unglücklich unterlag. Im Sommer 1932 begann er dann beim VfB Lübeck ein Engagement, das im Mai 1933 im »gegenseitigen Einvernehmen« aufgelöst wurde. Kertész geht in die USA, wo er in der Schallplattenindustrie arbeitet und bis zu seinem Tod im Mai 1982 in New York lebt. Sein Sohn George Curtiss wird leitender Manager von Remington Records.
Fritz Kerr, den Erfolgscoach der Stuttgarter Kickers, zieht es in die Schweiz zum FC Aarau. Zwischen seinen beiden Engagements in Stuttgart-Degerloch (1927-29, 1932-33) hatte Kerr die Nationalmannschaft Estlands betreut.
Alfons Beckenbauer: Vom Arbeitersportler zum »bürgerlichen« Kicker
Seit Oktober 1932 kickt der 24-jährige Alfons Beckenbauer für die Bayern, der Onkel von »Kaiser Franz«. Im Arbeiterviertel Giesing aufgewachsen, hat Beckenbauer seine ersten fußballerischen Erfahrungen bei den lokalen Vereinen Sportclub 06 und FC Stern gesammelt. Zum FC Bayern kommt er vom ebenfalls in Giesing beheimateten FC Sportfreunde München 1912. 1929 hatten die Sportfreunde den DFB verlassen und sich in der Arbeitersportbewegung dem sozialdemokratischen ATSB angeschlossen. Beckenbauer spielte 1932 fünfmal für die ATSB-Bundesauswahlmannschaft und schoss dabei acht Tore. Der Arbeitersporthistoriker Eike Stiller: »Wirtschaftlich ging es Alfons Beckenbauer sehr schlecht. Er war über lange Jahre erwerbslos und hatte trotzdem mancherlei Angeboten aus dem DFB-Lager widerstanden. Ende des Jahres 1932 zeigte sich der FC Bayern München mit seinen Abwerbeversuchen bei Beckenbauer jedoch erfolgreicher.«
Die ATSB-Kicker durften kein Geld nehmen; in puncto Amateurismus konnte es die Arbeitersportbewegung mit den DFB-Ideologen durchaus aufnehmen. Hinzu kam der extrem zurückhaltende Umgang mit persönlichen Spitzenleistungen, einem »Starrummel« stand man äußerst ablehnend gegenüber. Persönliches Prestige und materielle Vorteile konnten Arbeiterfußballer bei den ATSB-Vereinen kaum erwarten.
Vermutlich sind es aber nicht nur finanzielle Erwägungen, die Beckenbauer zu den »bürgerlichen« Bayern treiben. Nach dem Gewinn der Meisterschaft 1932 schwimmt der Klub zunächst auf einer Euphoriewelle. Eike Stiller: »Seine hohe Spielkultur und exzellenten fußballerischen Fähigkeiten wurden auch in der bürgerlichen Presse betont. So heißt es in einem Spielbericht: ›In dem Halblinken Alfons Beckenbauer stellen die Bayern einen Spieler, für dessen Empfehlung sie schon stichhaltige Gründe aufbringen können. (…) Seine Flügelbedienung, seine Ballführung und seine kräftige Lebendigkeit im Strafraum des Gegners sind ausgezeichnet.‹«
Einige Monate vor Beckenbauer hatte bereits ein anderer prominenter Bundesauswahl-Kicker den ATSB verlassen. Der Hafenarbeiter Erwin Seeler, Vater von »Uns Uwe«, wechselte vom SC Lorbeer 06 aus dem hafennahen Arbeiterstadtviertel Rothenburgsort an die Hoheluft zum SC Victoria. Vor dem Wechsel soll Seeler Zusagen über Geldzahlungen und eine neue Wohnung erhalten haben. Das sozialdemokratische »Hamburger Echo« war empört und widmete dem Abtrünnigen die Schlagzeile »Verirrter Proletarier«. 1938 wechselt Seeler zum Hamburger SV.
Sein Debüt im Bayern-Trikot begeht Alfons Beckenbauer am 30. Oktober 1932 in Gelsenkirchen, als er bei einem Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 nach der Halbzeitpause eingewechselt
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