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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Da ich die Beziehung nicht geheimgehalten habe, war die Schande groß, und mein Wert auf dem Heiratsmarkt ist rapide gesunken. Wie gesagt, meine Eltern haben mir nicht vergeben, aber sie haben gelernt, mit ihrer Enttäuschung zu leben. Also entschuldige, daß es so banal klingt, aber es war die Liebe, die mich vor dem Vetter bewahrt hat. Meine Liebe zu Jens. Und die Liebe meiner Eltern zu mir.«
    »Es muß hart für dich gewesen sein.«
    »Ich habe gute Eltern. Für andere junge Frauen ist es viel härter.«
    »Dabei hört es sich eigentlich so an, als wären deine Eltern ganz schön verstockt.«
    Er merkte, daß sie böse wurde. Er war zu weit gegangen. Es stand ihm nicht zu, über ihre Eltern oder ihr Privatleben im allgemeinen moralische Urteile zu fällen. Ihr stieg das Blut in die Wangen, ihr Blick wurde hart, sie versuchte ihren Zorn zu verbergen, aber es gelang ihr nur unzureichend. Sie mußte sich höllisch zusammenreißen.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich hätte nicht …«
    »Vergiß es, Per. Du verstehst das sowieso nicht.«
    Ein peinliches Schweigen entstand. Er drehte sich um und signalisierte dem Kellner, daß er bezahlen wollte. Sie waren unter den letzten Gästen. Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Es war ein schöner Abend gewesen, der ihn ein wenig von Lise abgelenkt und seine Sehnsucht nach Freya in eine fernere Ecke seines Herzens verlagert hatte. Aischa atmete tief ein und sagte: »Mein Vater ist 1970 nach Dänemark gekommen. Er hat drei bis vier Stunden für den Flug gebraucht, aber er kam aus einem völlig anderen Zeitalter, auf seiner Reise hat er fast hundert Jahre zurückgelegt, was die Zeit und die Kultur und den Ort anbelangt. Er kam aus einem kleinen palästinensischen Dorf und hat die ländlichen Werte und Überzeugungen ins moderne Dänemark mitgebracht. Zum Beispiel daß der Vater das Oberhaupt der Familie ist. Daß er ihr Versorger ist und ihre Ehre hüten muß. Im Gegenzug verlangt er Gehorsam und Respekt. Wie die meisten seiner Generation träumt er noch immer von dem Tag, an dem er in sein Dorf zurückkehren wird. Er weiß, daß ich weiß, daß meine Eltern das nie tun werden. Aber das würde er nie zugeben, weder mir noch meinen Brüdern, noch seiner Frau, noch sich selbst gegenüber. Aber er hat das Recht, davon zu träumen und jedes Jahr, wenn wir das Ende des Ramadans feiern, zu sagen: Nächstes Jahr feiern wir zu Hause.«
    »Na, gut.«
    »Nein, das ist nicht gut. Das ist eher traurig, aber leider nicht zu ändern.«
    »Und wieso ist es dir gelungen, wenn es so vielen anderen nicht gelingt?«
    »Ich weiß es nicht. Hartnäckigkeit. Dadurch, daß ich mich weigere, ein Opfer zu sein. Und weil mein Vater doch das Beste für seine Kinder wünscht und weiß, daß er einlenken muß, auf Kosten der alten Traditionen, auch wenn er sich das nie eingestehen würde. Und durch meine Mutter. Sie sagt nicht soviel. Sie weiß nicht so viel, aber sie hat mehr gesagt, als man ihr zutraut. Und sie bekommt oft ihren Willen, und sie liebt ihre Kinder. Ich habe nie ein Kopftuch getragen. Es gab nicht so viele von meiner Sorte, als ich aufs Gymnasium kam, und meine Eltern waren sich einig, daß ich mich von den andern nicht zu sehr unterscheiden sollte. Als ich dann in die Pubertät kam, sollte ich mich ehrbar bedecken. Ich wurde wütend und knallte mit den Türen. Sie gaben nach. So wie sie nachgegeben haben, als ich Jens kennenlernte und dann nach Århus ins Studentenwohnheim gezogen bin. Aber es hat sie sehr, sehr betrübt, und sie haben sich sehr, sehr geschämt. Mein Vater hat sich sogar den Schnurrbart abrasiert. Er ließ ihn sich erst wieder wachsen, als mein jüngerer Bruder eine ehrbare Frau aus guter Familie geheiratet hat.«
    »Warum hat er sich denn den Bart abrasiert?«
    »Als Zeichen seiner Schande, daß er nicht in der Lage war, seine Familie zu führen. Ohne Schnurrbart sieht er eher aus wie eine Frau. Wenn ein Araber zeigt, daß er seine Familie im Griff hat, sagt man, er habe einen Schnurrbart. Den hat er dann verloren, als ich meine Unschuld verloren habe. Er war am Boden zerstört. Meine Schande war die Schande der Familie. Die ganze Familie bekam schwarze Gesichter, wie wir auf arabisch sagen. Es war eine furchtbare Zeit. Mein Vater wollte nicht einmal mehr in seinen Klub gehen. Aber das ist überstanden. Mein Vater hat seinen Schnurrbart wieder.«
    »Und das freut dich?«
    »Ja, natürlich, aber manchmal bin ich doch im Zweifel, ob es die ganze Sache wert war, aber so ist

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