Der Feind im Spiegel
es nun mal. Ich hoffe, Allah wird mir dereinst vergeben.«
»Das wird er schon tun.«
»Na, da bin ich mir nicht immer so sicher, manchmal überkommen mich Zweifel, und ich höre wieder die Imame aus meiner Kindheit oder meinen Vater, wie sie mir erzählen, was die Sünder in der Hölle erwartet.«
Toftlund bezahlte, und sie gingen in Richtung Nørreport-Station. Er hatte ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren, aber sie wollte die S-Bahn bis Svanemøllen nehmen. Sie hakte sich bei ihm ein. Er empfand es als intime, zugleich aber auch kollegiale Geste. Es war kalt und windig geworden, und selbst hier in der Stadt konnte man den Regen riechen. Sie war angenehm groß und machte lange Schritte in ihren flachen Schuhen. Sie überquerten den Kultorvet. Es waren nur wenige Menschen auf der Straße. Die Caféstühle waren noch gestapelt und warteten ebenso ungeduldig wie die Menschen auf das richtige Frühjahr. Der Aprilfrühling war ja trügerisch. Auf der Steinbank an der Skulptur, die zwei alte Menschen darstellte, hockten drei junge Ausländer. Alle hatten Jeans und dunkle Lederjacken an. Der eine redete in sein Handy. Vor Aischa und Toftlund leuchtete das rote S-Bahn-Schild vor dem schwarzen Nachthimmel auf. Sie gingen an den Burschen vorbei. Sie waren nicht älter als fünfzehn, sechzehn. Einer von ihnen sagte laut etwas auf arabisch, und er spürte, wie sich Aischas Hand an seinem Arm verkrampfte. Es fielen noch ein paar arabische Worte, und er fühlte, wie ihr Griff noch fester wurde.
»Was sagen die, Aischa?« fragte er und blieb stehen, aber sie versuchte ihn weiterzuziehen.
»Ist egal.«
Er drehte sich zu den Jungen um. Sie blieben hocken und musterten ihn mit provozierendem Blick. Ihn packte die Wut. Er mußte sich vorsehen, er lief mit Dienstmarke und Pistole herum. Und sie hatten ja nichts getan. Es war nicht verboten, auf dem Kultorvet zu hocken und Arabisch zu reden.
»Komm, Per«, sagte sie, »es ist nicht so schlimm.«
Der größte von den dreien sagte wieder etwas. Diesmal lauter.
»Was sagen die da, verdammt?« wiederholte Per.
»Die sagen, ich bin eine Nutte, natürlich.« Ihre braunen Augen waren wütend. Und feucht. »Die sagen, ich bin eine Nutte, die in die Hölle kommt, weil ich mit einem ungläubigen Schweinefresser gehe und nicht verschleiert bin.«
»Verflucht noch mal«, sagte Toftlund, machte sich frei und ging auf die drei Jungen zu. Sie erhoben sich und bauten sich vor ihm auf. Nicht direkt bedrohlich, ihre Arme ließen sie an den Seiten herabhängen, aber sie versuchten, kämpferisch auszusehen.
»Per, laß es gut sein!« Er hörte, wie verzweifelt sie war, aber er spürte auch, wie sein Blut vor Wut kochte. Er kannte sich gut genug, er mußte jetzt wirklich aufpassen. Er durfte nicht den Fehler begehen, all die Frustrationen, aus denen sein Leben momentan bestand, an drei ungezogenen Rabauken auszulassen. Daß sie drei gegen einen waren, daran verschwendete er keinen Gedanken. Sie hätten ohnehin keine Chance gegen ihn. Er trat auf sie zu, aber sie blieben stehen. Plötzlich sagte Aischa etwas zu ihnen, lang und schroff, und auf arabisch. Die Typen erstarrten, drehten sich wie auf Kommando um und rannten auf ihren Turnschuhen über den Platz und die Købmagergade hinunter.
Toftlund wandte sich zu ihr um. »Was hast du ihnen gesagt, zum Donnerwetter?«
Ihre Augen leuchteten wieder, und sie lächelte. »Ich habe gesagt, du bist mein Mann und Muslim, und daß du Bulle bist und ihren Vätern einen Besuch abstatten würdest, die sie dann windelweich schlagen, wenn du das nicht vorher selbst schon erledigst. So was in der Art.«
»Verflucht noch mal«, sagte Toftlund.
»Mußt du immer so viel fluchen?«
»Nein, das ist eine schlechte Angewohnheit, verdammt noch mal!«
Sie lachten beide.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange.
»Vielen Dank für den schönen Abend, Per. Und für das wunderbare Essen.«
»Danke gleichfalls«, sagte er und sah ihr nach. Auf den letzten paar Metern zum S-Bahnhof Nørreport drehte sie sich nicht mehr um. Sie ging energisch und mit erhobenem Kopf, und er blickte ihren wiegenden Hüften nach und dachte an Ganløse, wo alles so dunkel und still war.
13
Einige Tage später luden sie Marko vor. Suleimans Verhaftung war in den Medien gemeldet worden, und Toftlund hatte Brian Gislev zu Marko geschickt, um ihn um ein Gespräch zu bitten. Der hatte nichts dagegen. Er war freundlich und kooperationsbereit
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