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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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oder weniger rechteckig, mit Wänden aus Metall, das ich nicht identifizieren konnte. Ich war fast sicher, dass Filo mich nicht sehen konnte, denn von unten hatte ich die unter mehreren Pappkartons liegenden Säcke, auf denen ein altes kaputtes Fahrrad lag, auch nie gesehen. Dazwischen erkannte ich eine Art Hebel mit einem Griff aus schwarzem Bakelit, nahm den erstbesten Sack und warf ihn mir über, um Filo unbemerkt zu beobachten. Als sie den Mantel auszog und sich im Spiegel betrachtete, fiel mir sofort auf, wie hübsch sie sich gemacht hatte. Sie trug ein weißes Kleid mit bunten Tupfen, einem tiefen Ausschnitt und schmalen Trägern. Das Sommerkleid stand ihr wunderbar, war aber in einer regnerischen Nacht Ende November ziemlich unpassend. Das lange lockige Haar hatte sie mit einer grünen Schleife geschmückt. Sie sah in den Spiegel, zwickte sich in die Wangen, zog die Lippen nach, und als sie vor Kälte zu zittern begann, schlüpfte sie wieder in den Mantel und setzte sich auf einen Stuhl an den Tisch, bei den Kerzen. Offensichtlich erwartete sie jemanden, und während der nächsten fünf, zehn, fünfzehn Minuten tat sie nichts anderes als das, bis sie in der absoluten Stille, die uns umgab, etwas hörte, das mir nicht aufgefallen war. Noch einmal kniff sie sich hastig in die Wangen und zog ein paar Grimassen vor dem Spiegel. Dann ging die Tür auf, offenbarte die Umrisse einer dunklen eiligen Gestalt und schloss sich wieder. In diesem Augenblick stand Filo auf, und ich wäre am liebsten gestorben.
    »Findest du das vielleicht gut?« Sie blieb neben dem Tisch stehen, mit dem Rücken zu mir, und obwohl ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass sie die Beleidigte spielte. »Ich war gestern hier, ich war vorgestern hier, und heute wollte ich gerade wieder gehen.«
    Regalito, der trotz der Haarsträhne, die ihm in die Stirn fiel, ein kräftiger, muskulöser Mann geworden war, als wäre er in der Zeit, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, zehn Jahre älter geworden, lehnte das Gewehr, das mir größer vorkam als ich, an die Wand und ging langsam und lächelnd auf sie zu.
    »Schimpf ruhig weiter.« Filo streifte den Mantel ab und ließ ihn zu Boden fallen, damit Regalito die Arme um ihre Taille schlingen konnte. »Aber wenn die oben mitbekommen, dass ich hergekommen bin, um dich zu besuchen, erschießen sie mich.«
    Er küsste Filo auf den Hals, das Haar, das Gesicht und schließlich auch auf den Mund, und ich sah alles, weil er sie umdrehte, damit sie sich auf den Tisch setzte, und als er sie an sich zog, sah ich sie beide im Profil, doch dieses Glück war nur von kurzer Dauer.
    Filo löste sich von ihm, um ihn zu betrachten. »Du bist mir ja ein schöner Cencerro!«
    »Tolón, tolón« , sagte er und fuhr mit den Händen über die begehrtesten Brüste, Hüften und Taille in ganz Fuensanta de Martos, und während sie noch lachte, wandte er den Kopf zur Seite und hielt kurz inne, ehe er, wie an sich selbst gerichtet, sagte: »Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt noch in einem Bett machen kann.«
    »Fabelhaft.« Filo nahm seinen Kopf in beide Hände und zwang ihn, sie anzublicken. »Wenn du jetzt nicht einmal mehr dazu taugst …«
    Regalito lachte, hob sie auf und trug sie zum Bett, das direkt unter dem Zwischengeschoss lag, sodass ich nichts mehr sehen konnte.
    Immer dasselbe, dachte ich, während ich mich daran erinnerte, wie sich Sanchís und Pastora auf der Kirmes geküsst hatten, wie ich sie dann bei sich zu Hause gesehen hatte, als er ihr die Fußnägel lackierte, oder wie Pepe sich vor der geschlossenen Tür mit Paula versöhnt hatte, während Doña Elena mir ungerührt diktierte, dass der Chiropraktiker Don Wenceslao den Otorhinolaryngologen Don Eustaquio aufgesucht habe, nachdem er sich während einer Speläologie-Exkursion den Musculus Sternocleidomastoideus verzerrt hatte, immer dasselbe trügerische Glück, das mich bis an den Rand der einzig interessanten Sünde brachte und dann einfach hängen ließ, zu einer Neugier ohne Belohnung verdammt.
    Filos Kleid flog durch die Luft und landete auf dem Boden, und dann hörte ich sie. Die Matratze ächzte, während sie sich hin und her wälzten, das Bett quietschte und schlug mit dem Kopfende gegen die Wand. Ich hörte die Küsse, die Worte, das Lachen, ein Lärm, dachte ich, in dem sie mich unmöglich hören konnten, wenn ich mich vorsichtig bewegte, wenn ich mich flach auf den Boden legte und den Kopf nur leicht vorstreckte. Ich packte den

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