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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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»Es tut mir so leid.«
    Mutter hatte mir beigebracht, dass man bei der Totenwache etwas anderes, Feineres sagen müsse, mein aufrichtiges Beileid oder so was, aber das brachte ich nicht fertig, denn als ich Pastora aus der Nähe sah, schimmerten Tränen in ihren Augen, und sie waren so durchsichtig, als erlaubte sie mir einen Blick in ihre Seele. Ich begriff, wie sehr sie litt, wie viel sie noch zu leiden hätte, und dass erst der Tod einen Schmerz beenden würde, der so lang wäre wie ihr Leben, weil sie es wusste, sie musste es wissen, sie wusste alles, nur nicht, dass ihr Mann Curro gebeten hatte, ihr zu sagen, dass er sie mehr liebte als sein eigenes Leben, dass er an sie gedacht hätte, bevor er sich das Leben nahm.
    Sie wird es verstehen, das hatte er gesagt, und sie würde es verstehen, sie würde die zärtliche Sorge eines Selbstmörders verstehen und Ruhe finden, wenn ihr nur jemand die Wahrheit sagte. Doch das würde niemand tun, denn es durfte keine andere Wahrheit geben als die mit Orden geschmückte Uniform, den Rosenkranz in Miguel Sanchís’ Händen, den Beamten der Guardia Civil, den sie in Ciudad Real kennengelernt haben musste, als die Stadt noch Ciudad Leal hieß, mitten im Bürgerkrieg oder vielleicht sogar schon vorher, den Mann, der sie nie aus einem Bordell geholt hatte, denn sie war keine Hure gewesen, sondern eine Rote, so wie er ein Roter. Deshalb hatte man sie so oft verhaftet, deshalb war sie auf den Wachen ein und aus gegangen, deshalb hatte sich der Pferdezüchter damals so gewundert, dass sie nun in der Kaserne von Fuensanta lebte.
    Und alles nur, das las ich in ihren durchsichtigen Augen, um dann an der Trauerfeier für einen für Gott und das Vaterland Gefallenen teilzunehmen, um ihn, in die Fahne des Feindes gehüllt, zu Grabe zu tragen, nicht wirklich um ihn weinen oder lauthals den Verräter verfluchen zu können, der seinen Tod verschuldet hatte. Nicht einmal der stolze Trost, die Witwe eines Helden zu sein, war ihr vergönnt. Pastora hatte keine Ahnung, was passiert war, sie wusste weder, wie noch warum ihr Mann gestorben war, und jetzt würde ihr niemand mehr die Fußnägel lackieren, niemand den Spann ihres verkrüppelten Fußes mit den rachitisch verformten Zehen küssen, niemand würde ihr ein Glas Kognak reichen oder sie im Glühbirnenschein einer Kirmesnacht voller Inbrunst küssen. Sie würde nie erfahren, warum, wo und wann sie all das verloren hatte, wer schuld daran war, dass er sie nicht mehr wortlos am Arm packen und zu einem Bett führen konnte, wo sie Dinge miteinander taten, die sich kein Mensch vorstellen konnte. All das dachte ich, als ich sie dort sah, eingefallen, erniedrigt, einsam und betrogen, mehr tot als lebendig, lebenslänglich zu einer beklemmenden Frage verurteilt, auf die sie nie eine Antwort erhalten würde.
    »Es tut mir leid, Pastora.« Und es stimmte, ich war überwältigt von Trauer und Wut, als ich ihre Hand drückte und spürte, dass sie fast so kalt war wie jene, die sie nie wieder liebkosen würden. »Wirklich sehr leid.«
    Ich beugte mich vor, küsste sie, und sie erwiderte den Kuss, wobei sie die ausgetrockneten Lippen kaum merklich bewegte. Dann ging ich wieder an meinen Platz und dachte, dass sie kein Recht dazu hatten, es war unfair. Das durften sie nicht machen: den letzten Willen eines Mannes verraten, der einem der ihren das Leben geschenkt hatte, ehe er sich umgebracht hatte. Das hier war noch schlimmer, als ein Orchester zu bestellen, schlimmer als Paso dobles zu spielen, um einen Toten zu tanzen oder auf dessen Leiche zu springen. Viel schlimmer, doch Vater sah mich nicht einmal an, als ich an ihm vorbeiging.
    »Sterbenslangweilig, nicht?«, flüsterte mir Paquito ins Ohr, nachdem ich schon eine ganze Weile neben ihm gesessen hatte. »Das ist die seltsamste Totenwache, die ich je erlebt habe.«
    Ausnahmsweise wusste er nichts und ich alles, trotzdem hatte Romeros Sohn recht. Wir nahmen an einer äußerst seltsamen Totenwache teil und atmeten eine unheilvolle, stickige Luft, giftig wie die über einem stehenden Gewässer. All das war nicht nur für Pastora schwer, sondern auch für die übrigen, diese uniformierten Männer, die die unbegreifliche Pflicht übernahmen, einem Feind die letzte Ehre zu erweisen, reglos, martialisch, in tadelloser Formation, obwohl das alles ihren wirren Gefühlen, Erinnerungen und ihren Vermutungen zuwiderlief.
    Möglich, dass die Zeremonie für sie weniger erniedrigend war als für Pastora, trotzdem

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