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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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einmal bedächtig, als wollte er es auswendig lernen. »Es gibt keinen Honig. Seltsam.«
    »Genau das hat sie gesagt, dass der Mann, den du ihr genannt hast, keinen mehr hatte.« Er rührte sich nicht, sah mich nicht einmal an, als hätte ihn die Unermesslichkeit einer so kleinen Nachricht aus dem Gleichgewicht gebracht. »Dass schon alles verkauft war.«
    »Ja schon, ich finde es nur seltsam, weil …« Dann schüttelte er hastig den Kopf, grinste und begann, in Richtung Dorf zu gehen. »Ich hatte gehört, dass er sämtlichen Honig der Gegend aufkauft und deshalb immer welchen vorrätig hat. Aber da kann man wohl nichts machen. Los, ich bringe dich nach Hause.«
    »Ja? Prima, dann kannst du ja mit Sanchís sprechen, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Wenn dir das lieber ist. Ich habe nichts mehr vor. Eigentlich hatte ich daran gedacht, zum Hof hochzugehen, aber …«
    »Paula sagt, du hättest nicht die Eier dazu.«
    »Ja, stimmt. Aber du verstehst ja sicher, dass ich mich dort vorerst lieber nicht blicken lasse.« Er bewegte zwei Finger in der Luft, als wären sie eine imaginäre Schere, schnippschnapp, und wir mussten beide lachen. »Wenn diese Furie mir nicht so gefiele …«
    Doch sie gefiel ihm sehr, wie er mit lauter Stimme beteuerte, und noch mehr, denn er verbüßte ohne zu murren eine Strafe, die so lang wurde wie der Juli, mehr als dreißig Tage vorsichtiger Annäherungsversuche mit frustrierenden Ergebnissen. Fast immer spielte ich den Vermittler, indem ich mit Geschenken hinaufging und mit Antworten herunterkam, die Bitten vorbrachte und die Abfuhren erntete und Liebeserklärungen in beide Richtungen übermittelte. Die von Paula klangen ganz und gar nicht nach Liebe, trotzdem trieb sie sich gegen sechs Uhr nachmittags fast immer in der Nähe von Doña Elenas Häuschen herum und lächelte zufrieden über meine eindringlichen Bitten, ehe sie »Nein« sagte, noch wolle sie ihn nicht wiedersehen, und dieses grausame und zugleich ermutigende Adverb sorgfältig betonte.
    »Hier, nimm ihr das morgen mit, irgendwann muss sie ja weich werden.« Einmal war es ein Feuerzeug, ein anderes Mal eine Tüte Bonbons, eine Schachtel Pralinen, ein Taschentuch, ein Fläschchen Kölnischwasser. »Langsam weiß ich nicht mehr …«
    »Hast du mir denn nicht erklärt, dass Männer wie wir nie heiraten?«
    »Ja schon, aber was soll ich sagen? Ich bin verknallt, glaub nicht, mir wäre es nicht bewusst. Das Schlimmste ist, dass ich das ganze Geld, das ich von deinem Vater zurückbekomme, für diesen Blödsinn zum Fenster hinauswerfe, und nächsten Monat ist Schluss mit den Zahlungen.«
    Schließlich löste er das Problem selbst und auf seine eigene Art.
    »Weißt du was?«, sagte er, als ich ihm erzählte, dass auch das Kölnischwasser seine Wirkung verfehlt hatte. »Jetzt reicht es. Morgen komme ich mit dir hoch und versuche mein Glück persönlich.«
    Als wir am nächsten Tag oben ankamen, stellten wir fest, dass Paula uns zuvorgekommen war. Sie saß mit Doña Elena vor dem Häuschen und flocht Espartogras. Als sie uns kommen sah, stand sie auf und verschränkte die Arme vor der Brust, doch der Portugiese hielt sich tapfer.
    »Hör zu, Paula. Ich habe schon viel zu viel Zeit damit verplempert. Entweder du versöhnst dich mit mir, oder ich gehe zurück in mein Dorf, du wirst schon wissen, was du tust.«
    Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, während sie ihn reglos musterte, als wollte sie ausloten, ob die Warnung ernst gemeint war oder er sich einen Bluff erlaubte. Offenbar war sie bereit, die Ungewissheit bis aufs Äußerste auszureizen, doch er kam ihr zuvor.
    »Na schön, dann gehe ich.« Pepe trat auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen, als wollte er sich von einer gewöhnlichen Bekannten verabschieden. »Es hätte besser ausgehen können, aber es war trotzdem schön.«
    Das gefiel ihr, denn sie lächelte genießerisch, aber das bekam er nicht mehr mit. Er hatte bereits auf dem Absatz kehrtgemacht und war mit den Daumen in den Hosentaschen einen, zwei Schritte gegangen. In dem Moment glaubte ich, dem Ende dieser Geschichte zuzusehen, doch dann erklang gerade noch rechtzeitig Paulas Stimme.
    »Halt, du Hornochse!« Der fröhliche Tonfall milderte die Beleidigung.
    »Was hast du da gesagt?« Er drehte sich um und sah sie an, ohne sich von der Stelle zu rühren.
    »Hornochse.« Paula lachte und ging den Hang hinunter auf ihn zu. »Ich habe Hornochse gesagt.«
    »Mein Gott«, sagte meine Lehrerin, schüttelte den Kopf

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