Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
mich anderweitig umzusehen.«
    »Herr Abel«, begann sie, »Sie können sich umsehen, wo Sie wollen, aber wenn Sie einen Auftrag in Großbritannien oder Amerika zu erledigen haben, brauchen Sie nicht länger zu suchen.« Sie öffnete ihre Handtasche, holte eine Zigarette hervor und zündete sie sich an. »In diesem Geschäft können immer unerwartete Dinge passieren, auf die wir keinen Einfluss haben. Ein echter Profi weiß, wann er die Finger von einer Sache lassen muss. Ich kann Ihnen garantieren, dass wir alles tun werden, was in unserer Macht steht, um den Auftrag auszuführen, aber wenn wir am Ende beschließen, es sein zu lassen, dann müssen Sie das akzeptieren. Sie bekommen Ihr Geld zurück, und wir nehmen Ihr Geheimnis mit ins Grab.«
    Die Sache verlief ganz und gar nicht nach Plan. Diese beiden hatten ihre Hausaufgaben gründlich gemacht. Sie hatten ihn im Glauben gelassen, dass er der Schlauere war, um ihn dann zu überrumpeln und die Bedingungen zu diktieren. Dabei sollte er es sein, der den Ton vorgab und die Fragen stellte, nicht sie. So gern er noch geblieben wäre und mit dieser reizenden Frau geplaudert hätte – es war jetzt unbedingt nötig, wenigstens ein Zeichen der Stärke zu setzen.
    Abel schob den Stuhl zurück und stand auf. »Es tut mir leid, dass wir unsere Zeit verschwendet haben. Sie haben wenigstens ein fettes Honorar dafür kassiert.« Er streckte die Hand aus, mehr in der Hoffnung, ihre Haut zu spüren, als um die Höflichkeit zu wahren. Sie streckte ihrerseits die Rechte aus, und er hielt ihre Hand sanft in der seinen. »Falls Sie beschließen sollten, sich etwas flexibler zu zeigen, werde ich mir überlegen, ob wir doch noch zu einem Geschäft kommen können.« Er verbeugte sich kurz und ging weg.
     
    Einen Block entfernt stand ein Mann gegen sein Motorrad gelehnt und tat so, als würde er den Rolling Stone lesen. Dreadlocks fielen ihm auf die Schultern herab, und er hatte eine Botentasche umgehängt. Am Riemen der Tasche war ein Funkgerät befestigt. Ein kabelloser Ohrhörer war mittels Bluetooth-Technologie mit dem Funkgerät verbunden. In den letzten fünfzehn Sekunden war nichts als die Hintergrundgeräusche der Stadt gekommen.
    Schließlich hörte er ihre Stimme. »As-tu tout compris?« Hast du alles mitbekommen?
    »Ja.«
    »Du klingst nicht sonderlich beunruhigt.«
    »Nein.« Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah den Deutschen in seine Richtung kommen, so wie er es erwartet hatte.
    »Was machen wir jetzt?«
    »Ich schätze, wir werden ihm einen kleinen Besuch abstatten.«
    Sie seufzte. »Warum musst du immer alles so riskant machen?«
    Er begann mit dem Fuß im Takt auf den Boden zu klopfen und einen Song von Peter Tosh mit echt jamaikanischem Akzent vor sich hin zu singen. Als der Deutsche an ihm vorbei war, sagte er: »Wir sind nun mal in einem risikoreichen Geschäft, mein Schatz. Wir treffen uns dann in der Wohnung. Lass mich zehn Minuten vorausfahren.« Er setzte den Helm auf, startete sein Motorrad und brauste los.

14
McLEAN, VIRGINIA
    Rapp bog auf den Parkplatz ein, stellte den Motor ab und stieg aus. Er ging zum Randstein vor und blickte auf die Spielfelder hinaus. Seine Stimmung begann sich fast augenblicklich zu ändern. Es war über fünfzehn Jahre her, seit er zum letzten Mal hier war, aber der Ort war ihm vertrauter als wahrscheinlich jeder andere auf der Welt. Es war alles fast noch genauso, wie er es in Erinnerung hatte. Manche Bäume waren größer als damals, andere waren weg, und beim Parkplatz hatte man ein paar neue eingepflanzt – aber sonst war es derselbe Ort wie einst in seiner Jugend.
    Der Anblick, der Geruch, das Wetter, all das brachte eine ganze Flut von Erinnerungen zurück – größtenteils gute, aber nicht nur. Hier hatte er sich als Siebenjähriger den Arm gebrochen. Er war weinend nach Hause gelaufen, wo er von seinem Vater wieder einmal eine seiner Grundregeln zu hören bekam: »Wenn du aufpasst, gibt’s auch nichts zu weinen.« Sein Vater sah sich den verletzten Arm kurz an und kam zu dem Schluss, dass es nur eine Verstauchung sei. Als der kleine Mitchell mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachte und sein Arm auf das Doppelte seines normalen Umfangs angeschwollen war, sprach seine Mutter ein Machtwort und schickte seinen Vater mit ihm ins Krankenhaus. Es war nicht ihre erste gemeinsame Fahrt zum Röntgen, aber ihre letzte; sein Vater starb im darauffolgenden Jahr an einem Herzinfarkt und hinterließ eine relativ junge Frau

Weitere Kostenlose Bücher