Der Feind
Ordnung zu schaffen und eventuelle Unsicherheitsfaktoren zu beseitigen; und das bedeutet für manche, dass sie auch den Mann beseitigen wollen, der den Abzug gedrückt hat.«
Das alles traf durchaus auf Prinz Muhammad zu. Der Killer war überhaupt ein kluger Mensch. Er hatte Abel immer noch keinen Namen genannt, doch die Frau hatte ihm gesagt, dass er sie Marie nennen solle. Danach hatte sie noch hinzugefügt, dass sie von dem Auftrag zurücktreten würden, wenn er das Honorar nicht von sieben auf runde zehn Millionen erhöhte. Abel wollte etwas erwidern, doch sie legte auf, ohne ihn ausreden zu lassen. In den nächsten drei Stunden wartete er verzweifelt darauf, dass sie noch einmal anrufen würde. Als sie es schließlich tat, musste er sich sehr beherrschen, um ruhig zu bleiben. Er hatte noch nie mit Leuten wie diesen beiden zu tun gehabt. Sie waren wie eine schöne Frau, die nein sagte und einen ohrfeigte und von der man aus irgendeinem unerfindlichen Grund trotzdem nicht lassen konnte.
Anstatt jemand anderen für die Aufgabe zu suchen, akzeptierte Abel die neue Forderung, auch wenn er dadurch mit einem Schlag drei Millionen verlor. Sie hatten in der ganzen Zeit der Verhandlungen nie das Heft aus der Hand gegeben und allein dadurch bewiesen, dass sie der Aufgabe gewachsen waren. Jetzt brauchte er sich nur noch zurückzulehnen und die beiden die Dreckarbeit erledigen zu lassen. Es sei denn, Rashid hatte vor, ihn zu beseitigen. Abel blickte durch das getönte Fenster hinaus und nahm sich vor, dem Prinzen mit einer subtilen Andeutung zu verstehen zu geben, dass sein Tod für beide Seiten eine Katastrophe wäre.
Der Palast war ein imposantes Gebäude, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem Fünf-Sterne-Hotel in Arizona hatte, in dem Abel einmal gewohnt hatte. Das 225 Morgen umfassende Gelände beherbergte Stallungen für Vollblutpferde, einen Golfplatz und einen kleinen Vergnügungspark. Rashids vier Frauen lebten in verschiedenen Häusern ebenso hier wie viele seiner einundzwanzig Kinder mit der rasch anwachsenden Schar von Enkelkindern. Das große Palasttor ging auf, und die Limousine rollte den von Palmen gesäumten Kopfsteinpflasterweg hinauf, ehe sie bei dem ausgedehnten Säulengang des Hauptpalasts stehen blieb. Es war nicht ganz einfach, über Rashids Behausungen auf dem Laufenden zu bleiben. Er besaß einen Ansitz in Mekka, einen in Djidda am Roten Meer, ein Haus in Zürich und eine atemberaubende Villa bei Granada in Spanien.
Der Prinz reiste nicht gern ins Ausland, doch auf die Villa in Spanien war er besonders stolz. Es war eines seiner großen Ziele, mitzuerleben, wie der Islam wieder seinen rechtmäßigen Platz auf der Iberischen Halbinsel einnahm. Abel fand diesen Anspruch einigermaßen lächerlich; Spanien war ein durch und durch katholisches Land, und die Herrschaft des Islam im Süden des Landes war nach historischen Maßstäben eher kurz gewesen. Prinz Muhammad und sein Klüngel sahen ihren Anspruch in Spanien als ebenso rechtmäßig an wie ihre Forderung, Israel von der Landkarte zu tilgen. Als Deutscher hatte Abel besonders großes Verständnis für die zionistische Bewegung und den Wunsch des jüdischen Volkes nach einem eigenen Staat in der historischen Heimat. Nach historischen Gesichtspunkten betrachtet, hatten die Juden jedenfalls weitaus mehr Recht auf ihren Staat als die verrückten Wahabis auf ihren Anspruch, den Islam in Spanien wieder zu etablieren. Aus verständlichen Gründen verzichtete Abel jedoch darauf, Rashid auf diesen Denkfehler aufmerksam zu machen.
Prinz Muhammad erwartete ihn unter einem großen khakifarbenen Zelt an einem seiner Pools, der in der Form eines Kamels angelegt war. Jedes Mal, wenn Abel hierherkam, hatte er den Eindruck, dass die Anlage von einem zehnjährigen Jungen entworfen worden war. Zwei der allgegenwärtigen Leibwächter hielten sich in der Nähe auf.
Abel trat unter das Zelt und deutete eine Verbeugung an. »Guten Tag, Prinz Muhammad. Was kann ich für Sie tun?«
»Setzen Sie sich, Erich. Wir haben viel zu besprechen. Ich hoffe, Sie sind hungrig.«
»Ja, das bin ich tatsächlich.«
Ein Diener trat vor und forderte Abel mit einer höflichen Geste auf, auf einem Sessel Platz zu nehmen, der direkt neben dem Platz des Prinzen stand, was recht ungewöhnlich war. Rashid musste ihm etwas überaus Vertrauliches mitzuteilen haben. Sie plauderten über belanglose Dinge, während Rashid seinen Kaffee und Abel seinen Eistee trank. Nach etwa fünf
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