Der feine Unterschied
Verantwortung, die Mannschaft anzutreiben und zu motivieren, sobald das Spiel nicht so läuft, wie man es sich wünscht. Er ist die Stimme der Spieler, wenn es darum geht, die Strategie auf dem Platz festzulegen. Er hilft dem Trainer, Entscheidungen zu treffen, und hält dafür seinen Kopf hin. Er besetzt eine wichtige Position in der Entwicklung der Mannschaft. Erfolg oder Misserfolg werden mit seiner Person verknüpft.
Fußball ist wie so oft eine Metapher für das richtige Leben. Auch wenn etwas wirklich Bitteres passiert, muss es weitergehen. Die WM findet statt, auch wenn unser Kapitän für die nächsten Monate nicht mehr daran denken kann, Fußball zu spielen. Jogi Löw bringt das in seinem Statement auf den Punkt: »Im ersten Moment war ich geschockt, aber nun müssen eben andere mehr Verantwortung übernehmen. Es ist für uns natürlich ein großer Verlust, Michael ist ein Weltklassespieler und unser Kapitän.«
Während in den Medien noch darüber spekuliert wird, ob Kevin-Prince Boateng, der das Foul an Michael begangen hat, absichtlich oder nur grob fahrlässig gehandelt hat, denkt der Bundestrainer schon darüber nach, wie sich Michael Ballack ersetzen lässt. Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, dass Basti Schweinsteiger und Sami Khedira eine großartige WM spielen werden, aber im Kopf des Trainers entstehen gerade die Grundlagen für diesen Gedanken. Außerdem steht die Entscheidung an, wer Michael während der WM als Kapitän ersetzen soll.
Nachdem wir Spieler vom FC Bayern nach dem Champions-League-Finale zur Nationalmannschaft gestoßen sind und die
Vorbereitungen auf die WM in ihre letzte Phase gehen, schießen die Spekulationen ins Kraut, wer die Mannschaft in Südafrika fuhren wird. Infrage kommen drei Bayern-Spieler: Miro Klose, der Mann mit den aktuell meisten Länderspielen, Bastian Schweinsteiger und ich.
Wir sind die Spieler mit der größten Erfahrung. Miro, der auch mit Abstand der Älteste in unserer Mannschaft ist, hat gerade eine schwierige Saison beim Klub hinter sich. Ich denke, dass es auf Basti oder mich hinauslaufen wird, und es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass mir die Entscheidung egal ist.
Mein Spiel ist seit frühester Jugend darauf ausgelegt, mannschaftsdienlich zu sein. Ich bin ein Spieler, der das Spiel fließen lässt und seine Mitspieler in Szene setzt. Meine Position befindet sich nicht im Zentrum des Platzes, aber im modernen Fußball hängt jede Position mit jeder anderen zusammen. Wenn du Mannschaftsspieler bist und kein Solist, kannst du auf jeder Position Kapitän sein. Das Spiel ist so schnell und so komplex geworden, dass du von jeder Position aus deine Mannschaft entscheidend beeinflussen kannst. Brillante Flügelspieler zum Beispiel brauchen immer die Gewissheit, dass in ihrem Rücken nichts anbrennt, wenn sie in der Offensive riskante Spielzüge und Dribblings unternehmen.
Es hat mir immer Freude gemacht, die Spielweise meiner Mannschaft mitzulenken — sei es durch das eigene Spiel, sei es durch Arbeit im Training oder durch Gespräche mit Kameraden und dem Trainer. Kapitän zu sein ist der höchste Ausdruck dafür, dass diese Einstellung geschätzt wird, und ich bin glücklich und dankbar, als mir der Bundestrainer mitteilt, dass ich für die Dauer der WM Michael Ballack vertreten darf.
Die Fußballnation Deutschland während einer Weltmeisterschaft aufs Feld zu fuhren, ist ganz schön viel Ehre. Ich bin erst 2 6, der jüngste WM-Kapitän aller Zeiten.
Verpatzen wir mit unserer ersatzgeschwächten, jungen Mannschaft dieses Turnier, dann ist mein Name auf ewig mit einer Blamage verbunden. Aber so denke ich nicht. Der Bundestrainer hat sich schließlich etwas dabei gedacht, als er sagte, »nun müssen eben andere mehr Verantwortung übernehmen«.
Umso schöner, als wir dann eine großartige WM spielen und bis ins Halbfinale vorstoßen.
Die Mannschaft präsentiert sich während der gesamten Zeit als Einheit. Ihre Harmonie und Ruhe strahlen weit über den Platz hinaus. Damit ist alles erreicht, was ich mir als Kapitän wünsche.
Denn ich glaube daran, dass mehrere Spieler Leitwölfe, Antreiber einer Mannschaft sein können, ja müssen. Es braucht zwei, drei, vier Spieler, die sich einig sind, wann die Mannschaft Gas geben muss, wann die Botschaft durchgegeben wird, hey, Jungs, es geht noch was. Nur so setzt du eine Mannschaft in Bewegung oder reißt sie aus ihrer Lethargie. Jede Mannschaft braucht einen Kern von Spielern, die sich genauso
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