Der ferne Spiegel
hochgeehrter Sire, hat es meinem geehrten Herrn und Vater gefallen, mich in den hohen, edlen Hosenbandorden aufzunehmen; also möge es Eurer edlen und mächtigen Hoheit gefallen, wen immer Ihr möchtet an meine Stelle zu setzen und mich hierin zu entschuldigen.
Die Doppelallianz war zerbrochen. Dadurch, daß er ein »guter und wahrer Franzose« geworden war, hatte Coucy sich für eine Nationalität
entschieden, auch wenn der Begriff selbst noch nicht existierte. Nur eines war bemerkenswert an dieser Entscheidung: daß er sich nicht nur von seinem englischen Besitz und seiner englischen Lehnstreue, sondern auch von seiner Frau trennte. Es ist im allgemeinen gesagt worden, daß er sich verpflichtet fühlte, sich von ihr zu trennen, um für seine Entscheidung frei zu sein, aber das wäre nur dann eine notwendige Voraussetzung gewesen, wenn Isabella sich geweigert hätte, sich mit dem Verlust ihrer englischen Ländereien abzufinden. Die Aufkündigung der Allianz zog die Beschlagnahme der Besitzungen nach sich. Alles, was wir von Isabella wissen, deutet darauf hin, daß dies der bestimmende Faktor war. Ihre zwanghafte Extravaganz, ihre neurotische Abhängigkeit von ihrem Zuhause und der nachsichtigen Liebe ihres Vaters, ihre Fremdheit und Unsicherheit in Frankreich – dies alles läßt vermuten, daß die Trennung zunächst ihre Entscheidung war, ob nun mit der Zustimmung oder gegen den Willen ihres Gatten.
Keine Chronik verrät, was Coucy für seine eitle, verwöhnte, selbstsüchtige, eigenwillige Frau empfand – ob Liebe, Haß oder Gleichgültigkeit. Nach dem, was von ihrem Temperament bekannt ist, zählte sie nicht zu den wenigen liebenswürdigen Plantagenets. Auf jeden Fall kehrte sie mit ihrer jüngeren Tochter Philippa nach England zurück und blieb dort. Alle Besitzungen ihres Gatten in England, »Herrenhäuser, Dörfer, Domänen, Städte, Ländereien, Tiere und bewegliches Hab und Gut«, fielen an die Krone und wurden einer Treuhänderschaft für Isabella übergeben, der der Erzbischof von York, zwei Bischöfe und vier andere Beauftragte angehörten. Da Frauen in England vom Recht auf Besitz nicht ausgeschlossen waren, weist diese Konstruktion auf das Mißtrauen ihrer Brüder gegenüber ihrer Verschwendungssucht hin. Die Bedingungen der Treuhänderschaft sahen vor, daß ihr die Einkünfte des Besitzes ausgezahlt wurden, »solange sie in England blieb«. [Ref 241]
Die Franzosen nahmen die Kampfhandlungen sofort auf, als der Waffenstillstand auslief. Unterstützt von der spanischen Flotte, führten sie eine ganze Serie von Überfällen an Englands Südküste durch, noch bevor sie von Eduards Tod erfuhren. In einem Versuch, während der Übergangszeit den Tod geheimzuhalten, hatten
die Engländer »alle Reisenden, die das Königreich verlassen wollten, festgehalten und niemand außer Landes gelassen«.
Unter dem Kommando von Admiral Jean de Vienne landeten die Franzosen und Spanier am 29. Juni bei Rye und richteten dort ein vierundzwanzigstündiges wildes Massaker an – sie brannten und mordeten und entführten Mädchen auf die Schiffe, alles in bewußter Nachahmung der Grausamkeit, mit der die Engländer in französischen Städten gehaust hatten.
Ohne auf wirksamen Widerstand zu treffen, segelten die Franzosen die Südküste hinunter und griffen Folkestone, Portsmouth, Weymouth, Plymouth und Dartmouth an. Sie marschierten zehn Meilen ins Land hinein, um Lewes niederzubrennen, wo sie eine kleine Streitmacht von zweihundert Verteidigern unter der Führung eines Priors und zweier Ritter auseinandertrieben und niedermetzelten. Dann segelten sie nach Frankreich zurück, nur um einen Monat später zurückzukehren und die Isle of Wight vor Southampton zu verwüsten. Die alte Furcht der Engländer, die noch auf den atavistischen Schrecken zurückging, den einst dänische Räuber und normannische Eroberer verbreitet hatten, gewann neue schreckliche Gestalt.
Die Schwäche der englischen Verteidigung ging nicht auf ein falsches Gefühl der Sicherheit zurück. Diese waren dieselben Städte, die von den Franzosen schon in früheren Expeditionen überfallen worden waren. Darüber hinaus war in den vorausgehenden sechs Monaten durch königliche Dekrete die Gefahr einer französischen Invasion in den düstersten Farben geschildert worden, aber in der Unordnung der englischen Krise waren nur wenige Verteidigungsmaßnahmen ergriffen worden. Als die Invasoren kamen, spornte überdies das Schicksal der Städte die
Weitere Kostenlose Bücher