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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Richtung zu untersuchen, »sogar bis zum Punkt des Rücktritts vom Papsttum, wenn es notwendig ist«. Achtzehn der einundzwanzig Kardinäle unterschrieben, unter ihnen der eifrigste Fürsprecher der Einheit, Kardinal Pedro de Luna von Aragon.
    Als im Konklave ein Kardinal für die Wahl vorgeschlagen wurde, rief der angeblich in gequälter Ehrlichkeit aus: »Ich bin schwach, und vielleicht würde ich nicht zurücktreten. Setzt mich dieser Versuchung nicht aus!«
    »Ich dagegen«, sagte Kardinal de Luna, »würde ebenso umstandslos zurücktreten, wie ich meinen Hut abnehme.« Alle Augen richteten sich auf ihn. Er war in den Sechzigern, Kardinal seit jener stürmischen Wahl in Rom, die das Schisma nach sich gezogen hatte. Ein gelehrter und gewandter Mann adliger Herkunft, einfach und enthaltsam in seinem Privatleben, ein geschickter und bedenkenloser Diplomat, war de Luna ein kompromißloser Gegner der Konzilsidee, wenn auch ein feuriger Fürsprecher der kirchlichen Einheit. Er wurde am 28. September zum Nachfolger Klemens’ VII. gewählt und nahm den Namen Benedikt XIII. an.
    Die zweite französische Botschaftergruppe hörte die Nachricht von der Wahl auf dem Weg nach Avignon. Sobald sie angekommen waren, versicherte ihnen der neue Papst, daß er die Absicht habe, alles für eine Beendigung des Schismas zu tun, und wiederholte seine Entschlossenheit, wenn nötig, so einfach zurückzutreten, als nähme er den Hut ab, den er zur Illustration lüftete. Seine Versicherungen in Antwort auf den König wurden allerdings immer nebulöser.
Er habe die Wahl nur angenommen, um »das verfluchte Schisma« zu beenden, und würde seine Tage lieber in der »Wüste oder im Kloster« verbringen, als es zu verlängern; wenn der König ihm feste Vorschläge zusandte, würde er sie ohne Zögern akzeptieren und »ohne Einschränkung ausführen«; er sei »entschlossen, geneigt und willens«, auf die Einheit hinzuarbeiten, und würde jeden Rat des Königs und seiner Onkel annehmen, »auf daß sie eher als jeder andere Fürst den ewigen Ruhm auf sich ziehen mögen, der die Belohnung eines solch verdienstvollen Unternehmens sein wird«. De Luna mag es ernst gemeint haben, aber sobald er fest auf dem Heiligen Stuhl saß, wandelte sich seine Bereitschaft zurückzutreten schnell in jenes Gefühl des eigenen Rechts, das das hohe Amt züchtet. Das Schisma war wie der Krieg eine Falle, der zu entkommen nicht leicht war.
     
    Während dieser ganzen Zeit war Coucy in Norditalien gewesen, um für Ludwig von Orléans einen finanziellen, politischen und militärischen Feldzug zu führen, der auf die Herrschaft von Genua zielte. [Ref 408] Das Angebot war die Folge der chronischen Anarchie in dieser Stadt: die Grimaldi, Doria, Spinola und andere Adelsfamilien, die von den Bürgern wegen ihrer andauernden Familienfehden aus der Stadt geworfen und verbannt worden waren, suchten einen Herrscher, der ihre Rückkehr und die Beendigung der bürgerlichen Regierung garantierte. Die Macht ging in rascher Folge zwischen verschiedenen bürgerlichen Gruppen hin und her, jede stellte einen Dogen, der bald darauf von der opponierenden Gruppe gestürzt und verbannt wurde. Nicht weniger als fünf Dogen hielten das Amt allein im Jahre 1393, bis 1394 Adorno in die Regierung zurückkehrte, jener Doge, der die tunesische Kreuzfahrt inspirierte. Die Dogen, Parteien und die verbannten Adligen suchten Rückendeckung entweder bei Mailand oder Florenz, deren Machtkampf Norditalien beherrschte.
    Als Leutnant und Generalsachwalter des Herzogs von Orléans »in der transalpinen Region« schlug Coucy sein Hauptquartier in Asti auf, das Ludwig als Teil von Valentinas Mitgift gehörte. Unter seinem Kommando standen etwa vierhundert Lanzen und zweihundertdreißig
Bogenschützen, alles ausgesuchte Soldaten. Hinzu kam eine etwa gleich starke Truppe von gasconischen und italienischen Söldnern. Aber ohne weit überlegene militärische Kräfte konnte er nicht hoffen, die genuesischen Territorien durch militärische Eroberung allein zu unterwerfen, solange die lokalen Machthaber entschlossen waren, sie zu verteidigen. Wie viele Jahre zuvor in der Normandie war es seine Strategie, Burgen und Städte durch Verhandlungen unter militärischem Druck an sich zu bringen und nur anzugreifen, wenn es unvermeidlich war.
    Die genuesischen Adligen, die das ursprüngliche Angebot gemacht hatten, boten ihm ihre Burgen an, aber »umsichtig und klug«, wie er war, und erfahren im Umgang mit Lombarden und

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