Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
Vom Netzwerk:
befreien. So großartig wie die Pläne zur Invasion Englands und zum Marsch auf Rom, war dieses Programm ganz unberührt von den Frustrationen der Vergangenheit. Auch die Belagerung von Mahdia, an der viele der Kreuzfahrer teilgenommen hatten, änderte offensichtlich nichts an der Verachtung für die Ungläubigen. Die Ritterschaft glaubte noch immer, daß kein Feind ihr widerstehen könnte.
    Coucy reiste nicht mit der Armee, da er noch eine Mission bei dem Herrn von Mailand zu erfüllen hatte. Zornerfüllt darüber, daß Genua nun seinem Einfluß entzogen war, arbeitete Gian Galeazzo daran, die Übertragung der Souveränität über die Stadt auf den französischen König doch noch zu verhindern. Coucy wurde entsandt, um ihn zu warnen, daß seine Einmischung als ein feindseliger Akt betrachtet werden würde. Mehr als Genua steckte hinter Gian Galeazzos Erbitterung. Seine geliebte Tochter Valentina, Frau des Herzogs von Orléans, war das Opfer einer Verleumdungskampagne am Hof von Frankreich. [Ref 423] Man warf ihr vor, sie habe den König behext oder vergiftet. Die bösen Gerüchte waren das Werk der Königin Isabeau, vielleicht aus Eifersucht, vielleicht auch, um ihre Affäre mit Orléans zu erleichtern. Ludwig von Orléans machte sich nicht die Mühe, seine Frau zu verteidigen, sondern ließ es zu, daß sie unter dem Vorwand ihrer persönlichen Sicherheit aus Paris
entfernt wurde. Sie lebte von da an in ihrer Landresidenz in Asnière an der Seine, wo sie zwölf Jahre später starb.
    Gian Galeazzo drohte, zur Verteidigung seiner Tochter Ritter zu entsenden, und einige Zeitgenossen glaubten, daß er noch weiteres unternahm, um sich zu rächen. Man sagte ihm nach, er habe Bajasid über die Feldzugspläne der Kreuzfahrer auf dem laufenden gehalten. Daran mag etwas gewesen sein. Ein Visconti schreckte vor keinem Mittel der Rache zurück, schon gar nicht der Mann, der seinen Onkel so kaltblütig in den Kerker und den Tod gesandt hatte. [Ref 424]
    Es ist nicht ausgeschlossen, daß Coucy seinem Gastgeber in Pavia unabsichtlich die Pläne für den Kreuzzug verriet. Gian Galeazzo war ein seltsamer, freudloser, undurchsichtiger Fürst, der seine väterlichen Gefühle für Valentina wahrscheinlich für sich behielt. Was Genua betrifft, war Coucy indessen erfolgreich. Die Souveränität wurde Karl VI. im November übertragen. In der Begleitung von Heinrich von Bar und Gefolge verließ Coucy Mailand im Mai und überquerte von Venedig aus die Adria. Er landete in Senj (Segna) und reiste von dort aus wahrscheinlich auf der direkten Route nach Buda, etwa dreihundert Meilen durch wildes, gefährliches Land.
    Er kam in Buda vor Nevers an, der es anscheinend nicht eilig hatte. Unterbrochen durch immer neue festliche Empfänge bei den deutschen Fürsten und dann beim Herzog von Österreich, Leopold IV., kam der junge Feldherr mit seiner Armee erst irgendwann im Juli an. König Sigismund grüßte seine Verbündeten mit einer Freude, die nicht ganz frei von Besorgnis war. Er sah die Schwierigkeiten des kombinierten Marsches voraus, und er wußte, daß die Franzosen auch gutgemeinten Rat nicht gerne annahmen, überdies waren sie an Raub und Plünderung gewohnt – auch im befreundeten Land. Auseinandersetzungen zeichneten von Beginn an den Kriegsrat in Buda. Sigismund war dafür, die Offensive der Türken zu erwarten und sie erst zu stellen, wenn sie in Ungarn waren, wo er das Land kontrollierte. Er hatte im Jahr zuvor einen Feldzug in die Walachei unternommen, woraufhin ihm der Sultan durch Herolde den Krieg erklärt hatte. Der Türke hatte geprahlt, er werde noch vor dem Ende des Mai in Ungarn sein, Sigismund aus
seinem Lande verjagen, nach Italien weitermarschieren, wo er seine Banner auf den Hügeln Roms aufrichten und seine Rosse Hafer aus dem Altar des heiligen Petrus fressen lassen wollte.
    Nun war es Juli, und der »Große Türke« war nicht gekommen. Die Franzosen waren nicht geneigt zu warten, sie bestanden darauf, daß sie die Türken aus Europa hinausjagen würden, wo immer sie sie antrafen, und prahlten, »daß sie selbst den Himmel, sollte er einstürzen, auf den Spitzen ihrer Lanzen aufrecht halten würden«. [Ref 425]
    Als Sprecher der Verbündeten wies Coucy eine defensive Strategie zurück. »Auch wenn die Prahlereien des Sultans Lügen sein mögen«, sagte er, »sollte uns dies nicht hindern, Waffentaten zu verrichten und den Feind zu verfolgen, denn mit dieser Absicht sind wir gekommen.« Er wurde von allen Verbündeten

Weitere Kostenlose Bücher