Der Fetisch-Mörder
dem Küchenmesser, mit dem seine Frau getötet wurde, hat man seine Fingerabdrücke und sein Blut gefunden.«
46
»Du siehst ja furchtbar aus, Jimmy«, stellte Phil fest und schob ein Bier über die Theke.
»Dann sehe ich besser aus, als ich mich fühle«, entgegnete Jimmy und ließ sich mit einem Seufzer auf dem Barhocker nach vorn sacken; sein Bauch hielt ihn am Tresen aufrecht. Ohne seinen Partner kam ihm die Kneipe irgendwie leer vor.
»Willst du darüber reden?«
»Nein.«
»Na los, Kumpel, wo drückt der Schuh?«, meldete sich eine mitfühlende Stimme. Diesmal war es nicht der Barkeeper, sondern der junge Mann auf dem Barhocker neben Jimmy.
»Ed, stimmt’s?« Jimmy hatte ihn schon öfter in der Kneipe gesehen. Er war Stammgast, arbeitete im Leichenschauhaus.
»Volltreffer. Mann, haben Sie ein gutes Namensgedächtnis! Also – was zieht Sie heute Abend so runter?«
Jimmy nahm einen großen Schluck von seinem Bier und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Darüber kann ich wirklich nicht reden. Es ist dieser beschissene Fall, an dem ich arbeite.«
»Die Stiletto-Morde?«
Jimmy nickte.
»Ja, darüber reden alle. Stimmt es, dass Ihr Partner seine Frau umgebracht hat?«
Scheißzeitungen. Jetzt hält sich jeder Idiot für einen verdammten Detective. »Nein, Kumpel. Ich glaube nicht, dass er es war.«
»Aber er ist untergetaucht, oder? Ist er nicht der Hauptverdächtige?«
»Ich will lieber nicht darüber nachdenken, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Kann ich verstehen. Muss ja auch wirklich beschissen sein, wenn man meint, jemanden zu kennen, und dann stellt sich heraus, dass man sich geirrt hat. Mann, auf mich hat der völlig normal gewirkt. Wie kann er seiner eigenen Frau so was antun? Abartig.«
Jimmy antwortete nicht. Der Fall machte ihm zu schaffen, und so lange dieser Idiot weiterquatschte, konnte er nicht abschalten. Vielleicht sollte er zur Abwechslung mal früher zu seiner Frau nach Hause fahren.
»Allerdings habe ich gehört«, fuhr Ed ungebeten fort, »dass die Frau ein ziemlich habgieriges Miststück gewesen sein soll. Hat ihm alles abgeknöpft, nicht wahr? Und eins muss man dem Kerl lassen, es so aussehen zu lassen, als wär’s der Stiletto-Mörder gewesen, war wirklich clever. Aber ich schätze, er hat trotzdem zu viele Fehler gemacht.«
Jimmy stand auf. Er hatte keine Lust, mit jemandem über seinen Partner zu diskutieren, der Andy aufgrund von irgendwelchem haltlosem Kneipentratsch bereits für schuldig befunden hatte.
»Ich gehe jetzt lieber.«
»Hoffentlich hab ich nichts Falsches gesagt«, sagte der junge Mann ziemlich schwach.
»Nein, gute Nacht.«
Doch irgendetwas, was Ed gesagt hatte, hatte etwas in Jimmys Gedächtnis angestoßen. Was es war, sollte ihm allerdings erst im Laufe der Nacht klar werden.
47
Makedde hockte im Schneidersitz auf dem Sofa in ihrer Wohnung in Bronte. Sie starrte ins Leere und fragte sich, ob eine Frau an irgendetwas erkennen konnte, ob sie mit einem Mörder schlief. Unzählige andere Frauen hatten es nicht gemerkt. In der Geschichte der Menschheit gab es jede Menge unglaubliche Geschichten von Verrat und missbrauchtem Vertrauen. Bundys Freundinnen. Kempers Mutter. Makeddes Vater hatte ihr von ein paar Frauen in den Zwanzigerjahren erzählt … Frau Kirchen? Nein, Frau Kürten in Deutschland. Es war einer der schlimmsten Fälle, über die ihr Vater je gelesen hatte. Frau Kürten hatte nichts von den neunundsiebzig Übergriffen, Vergewaltigungen und Morden gewusst, die ihr Mann begangen hatte. Als er schließlich verhaftet wurde, waren sie zehn Jahre verheiratet. Auch Peter Sutcliffe hatte eine Frau gehabt, genau wie Jerome Brudos und unzählige andere brutale Mörder. Selbst Stanley hatte eine schwangere Freundin. Wie konnte Makedde also ernsthaft glauben, Andy Flynn nach ein paar leidenschaftlichen Begegnungen wirklich zu kennen?
Ein dumpfer Schmerz machte ihr bewusst, dass sie die Fingernägel in ihre Handflächen bohrte. Ihr ganzer Körper war angespannt und zusammengekrümmt, sie atmete flach und hatte die Zähne zusammengebissen. Sie öffnete die Fäuste und versuchte, sich zu entspannen.
Jimmys Worte hallten immer noch in ihrem Kopf nach. Er hatte ihr erklärt, dass Andy Blutgruppe AB hatte, eine Blutgruppe, die nur bei drei Prozent der Bevölkerung vorkam. Cassandra hingegen hatte Blutgruppe 0, die bei sechsundvierzig Prozent der Bevölkerung vorkam. Cassandras Blut war überall gefunden
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