Der Fetisch-Mörder
mit seinem nach Knoblauch und Zwiebeln stinkenden Mittagessen an seinem Schreibtisch vorbeiging.
»Ich glaube, dieser Malaka fasst die Entscheidung, ein Mädchen umzubringen, in dem Moment, in dem er es sieht«, erwiderte Jimmy. »Für die Gummitüten wird er wohl seine eigenen Gründe haben.« Er blieb stehen, lehnte sich an Andys Schreibtisch und biss genüsslich in sein Gyros. Tsatsiki quoll aus dem Pittabrot und rann ihm über die Finger bis zu den Handgelenken, doch Jimmy merkte es nicht. »Wenn ich mit meiner Nuttenhasser-Theorie Recht habe«, sagte er mit vollem Mund, »hat er vielleicht Angst vor AIDS. Das könnte auch der Grund sein, warum er es auf so junge Opfer abgesehen hat.«
»Aber er richtet ein Blutbad an«, wandte Andy ein. »Wenn er Angst vor HIV oder irgendwelchen Geschlechtskrankheiten hätte, würde er auch andere Vorsichtsmaßnahmen treffen. Vielleicht tut er das ja auch. Ich vermute eher, er will kein Sperma zurücklassen, weil er mit den gerichtsmedizinischen Untersuchungsmethoden vertraut ist. Jeder zweite von diesen Burschen studiert im Knast Jura und Kriminalistik.«
»Yeah. Die wissen ihre Zeit eben sinnvoll zu nutzen.«
»Und unsere Steuergelder. Also glaubst du, er ist vorbestraft?«
»Möglich wär’s.«
Die beiden Detectives standen einen Moment lang schweigend da.
»Wo erledigt er sie, Andy?«, fragte Jimmy schließlich. »Wenn er mit ihnen fertig ist, muss er aussehen wie ein Schlachthofarbeiter. Ich kann mir kaum vorstellen, dass zu Hause eine Frau auf ihn wartet.«
Andy starrte auf die Anschlagtafel, an der die toten Gesichter von Roxanne, Cristelle und Catherine hingen. Makeddes beeindruckende Figur drohte ihn völlig abzulenken. Der rote Filzstift auf ihren Brüsten sah auf einmal aus wie Blut. Er wandte sich ab.
»Er macht sich nicht die Mühe, ihnen den Schmuck abzunehmen, normalerweise ist das für Serienmörder ein beliebtes Souvenir. Außerdem nimmt er nur einen Schuh mit, nicht beide, also bringt er sie nicht seiner Frau oder wem auch immer als geschmackloses Geschenk mit. Wahrscheinlich hast du Recht, und er lebt allein. Aber sicher davon ausgehen können wir auch nicht. Der Rest der Kleidung ist verschwunden. Was macht er damit?«
Jimmy wusste keine Antwort.
»Es gibt ein paar Parallelen zu dem Fall Jerome Brudos«, fuhr Andy fort.
»Brudos?«
»Jerome Henry Brudos. Als Zehn- bis Zwölfjähriger hat er in den USA in Oregon mit vorgehaltenem Messer jüngere Mädchen entführt. Er hat sie auf den elterlichen Hof in eine Scheune verschleppt, sie gezwungen, sich auszuziehen, und Fotos von ihnen gemacht. Anschließend hat er sie in einen Schuppen gesperrt, ist verschwunden und ein paar Minuten später zurückgekommen und hat sich als sein Zwillingsbruder Ed ausgegeben. Er hat sich komplett umgezogen, sogar seine Frisur verändert, und den Mädchen vorgespielt, er wäre entsetzt, was sein geistesgestörter Bruder da angestellt hatte. Er hat eine große Show abgezogen und so getan, als würde er den Film aus der Kamera reißen und vernichten, und hat die Mädchen versprechen lassen, niemandem zu erzählen, was ihnen passiert ist.« Andy machte eine Pause. »In der Jugend unseres Mörders muss es irgendetwas geben, und mag es noch so geringfügig gewesen sein, das auf abnormes Verhalten hinweist. Es wundert mich, dass die Überprüfung von Tonys Vergangenheit nichts in dieser Richtung zu Tage gefördert hat.«
»Der beste Hinweis auf einen Hang zur Gewalttätigkeit ist Gewalttätigkeit in jemandes Vergangenheit«, bestätigte Jimmy. »Die meisten Leute haben natürlich keine Ahnung, wonach sie suchen müssten. Schlägereien nach der Schule erwecken eben mehr Aufmerksamkeit als heimlich Haustiere zu quälen und zu sezieren.«
Andy hörte Jimmys Magen knurren. »Jetzt iss endlich dein Sandwich auf.«
Jimmy biss ein faustgroßes Stück ab, woraufhin ihm das Tsatsiki erneut übers Kinn rann. Genussvoll kauend fragte er: »Und was ist aus diesem Brudos geworden, als er erwachsen wurde?«
»Der Stiletto-Mörder«, erwiderte Andy und grinste.
Jimmy lachte. »Verarschen kann ich mich selber.«
»Er hat tatsächlich per Anzeige Models gesucht – für Schuhe und Strumpfhosen. Alle, die kamen, endeten als Leichen, sorgfältig aufgehängt in seiner Garage. Er hat Fotos von ihnen gemacht. Nackt oder in Rüschenkleidern, und in hochhackigen Schuhen. Immer in hochhackigen Schuhen.«
»Da sind ja wirklich Parallelen. Unser Fotograf hat bestimmt jede Menge Miezen um sich
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