Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
zusammengekrampft.
    »Was, zum Teufel, war das?« Er flüsterte es kaum hörbar. Dieter hatte Mühe, das vom Sturm geschüttelte Auto auf der Straße zu halten.
    »Mein Gott, o mein Gott! O mein Gott, o mein Gott, o mein Gooottttt!!«
    »Verdammte Scheiße! Große, gütige, gottverdammte Scheiße!«
    1.10 Uhr, noch ein halber Kilometer bis zur Stadtgrenze, als sie ihn sahen. Ein langes Rohr, unten schmal, nach oben immer breiter werdend, trotz der Schwärze der Nacht eindeutlicher Kontrast zum Himmel, fast wie der Rüssel eines Elefanten, ein verunstalteter, vielleicht zweihundert Meter breiter Rüssel. Und er kam nicht allein. Neben und hinter ihm drehten sich noch drei weitere Wirbel, von denen einer etwas kleiner als die anderen war, die Größe der anderen beiden ließ sich nicht bestimmen.
    »Halt an, bitte, halt an! Der kommt direkt auf uns zu! Los, raus hier!«
    Sie stießen die Türen auf, hechteten in den Straßengraben, rollten die leicht abfallende Böschung hinunter, krochen ein Stück weg vom Auto, kauerten sich zitternd und auf ein Wunder hoffend auf die Erde. Dachten an ihre Eltern. Beteten.

Kapitel 17
    Charlie verließ als letzter Gast um 23.50 Uhr Tonis Kneipe. Toni schloß hinter ihm ab und ließ die Rolläden herunter. Der Wind hatte aufgefrischt. Charlie war allein auf der Straße. Sein Kopf schwer von den Unmengen Bier und Korn, die er seit dem Nachmittag in sich hineingeschüttet hatte. Der Tag bei Toni war trostlos gewesen, bis auf den Zwischenfall mit Scherer. Aber Charlie war zu betrunken, um noch darüber nachzudenken, warum die Kneipe heute abend so schlecht besucht war. Er jedenfalls verfügte über jene nötige Bettschwere, die ihn bis spät am nächsten Morgen oder Mittag oder gar Nachmittag durchschlafen lassen würde.
    »Charlie«, sagte er zu sich selbst, als er die Straße überqueren wollte, den Zeigefinger mahnend erhoben, »Charlie, du wirss jetz über die Straße gehn, und du wirss das so kerzengerade tun, daß jeder, der dich jetz sieht, denkt, der gute alte Charlie iss nich sternhagelvoll, sondern stocknüchtern. Also, Charlie, alles klar? Alles klar, auf geht’s!!« Er setztevorsichtig einen Fuß vor den andern wie ein Hochseilartist, der in zehn Meter Höhe, ohne Netz und doppelten Boden, auch noch durch einen Feuerreifen springen muß. Charlie hatte die Arme ausgebreitet, um so besser die Balance halten zu können, aber wenn der Geist auch willig war, das Fleisch konnte doch die Wirkung des Alkohols nicht verleugnen. So gingen Charlies Körper und Geist zwei völlig verschiedene Wege, der Körper torkelte sturzbesoffen über die Straße, während der Geist meinte, fliegen zu können.
    Trotzdem erreichte Charlie sein Haus, wobei er wie so oft die letzten Meter kriechend zurücklegte. Er schaute die schlampig verlegten Steinplatten entlang nach oben, stellte sich auf die Beine, schwankte wie ein Schiff bei Windstärke zwölf, meinte, die Platten würden sich einmal nach links, dann wieder nach rechts bewegen. Er verfluchte wie jedesmal seinen Zustand, verfluchte den unmenschlichen Anstieg, versuchte hochzulaufen, bis er diesen Versuch bereits an der zweiten Stufe aufgab. Auf allen vieren schaffte er es schließlich, die Haustür zu erreichen. Er hatte vergessen, sie beim Weggehen zuzumachen, jetzt wurde sie vom Wind so heftig gegen den Türpfosten geschleudert, daß sie wie ein Bumerang zurückflog, wieder an den Türpfosten knallte, zurückflog . . .
    Irgendwie gelang es Charlie, sich in einem Moment durch die Tür zu schlängeln, als sie gerade wieder einmal von ihrer eigenen Wucht zurückgeworfen wurde. Das letzte, was sein Bewußtsein ihm zu registrieren erlaubte, war das Bett mit dem fleckigen, zerschlissenen, löchrigen, stinkenden Bezug, der irgendwann einmal aufgezogen und nie erneuert worden war. Er fiel hinein, Kopf und Oberkörper auf der lakenlosen zerschlissenen Matratze, die Beine baumelten an der Seite herunter.
    Und die Tür knallte monoton gegen den Türpfosten.

Kapitel 18
    »Mami, ich kann nicht schlafen.« Josephine Vandenberg stand vor dem Bett ihrer Mutter, mit ihren kleinen Händen rieb sie sich verschlafen die Augen. Das lange Nachthemd ließ gerade noch die Zehenspitzen erkennen, ihr lockiges blondes Haar fiel bis über die Schultern.
    »Und warum nicht? Es ist weit nach Mitternacht, und fünfjährige Mädchen müssen um diese Zeit längst schlafen!« Sarah Vandenberg, die Mutter von Josephine, eine hübsche junge Frau von achtundzwanzig Jahren, saß

Weitere Kostenlose Bücher