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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ausruhen!«
     
    Das Licht ging um 3.52 Uhr wieder an.
    Brackmann wurde vom plötzlichen grellen Schein seiner Schreibtischlampe geblendet. Er quetschte einen Fluch durch die Lippen, stand auf, um nach hinten zu den Frauen zu gehen. Sie sahen so übernächtigt aus, wie er sich fühlte.
    »Tut mir leid, wenn ich mich noch nicht um Sie gekümmert habe. Ich verspreche Ihnen aber, mich gleich morgen früh«, er machte eine Pause, verbesserte sich, »gleich nachher um Sie zu kümmern.«
    »Natürlich«, sagte Sarah Vandenberg, »wenn Sie uns nur garantieren, daß wir nicht zurückmüssen.«
    »Aber ich kann Sie doch unmöglich die ganze Zeit über hier in der Zelle behalten . . .«
    »Und warum nicht? Wir bitten Sie um Asyl. Zumindest um so was Ähnliches.«
    »Nun . . .«, Brackmann machte ein verlegenes Gesicht und kratzte sich im Nacken, »Ihre Kleider und . . .«
    »Hören Sie«, mischte sich Angela Siebeck ein, »die Damen sind doch ganz offensichtlich in Schwierigkeiten. Umsonst verkriecht sich niemand in einem . . . Gefängnis! Schon gar keine Vandenberg. Wenn sie nicht hierbleiben können, ich meine, ich könnte sie für kurze Zeit bei mir unterbringen.«
    »Hm, Sie haben wohl recht«, sagte Brackmann und fuhr sich übers Kinn. »Sollte man nach Ihnen suchen, schätze ich, daß man zuerst mich nach Ihnen fragen wird. Es wäre wirklich besser, wenn Sie dann nicht hier sind.«
    Die Vordertür wurde aufgerissen, Brackmann ging nach vorn und war erleichtert, daß es nur ein Soldat war, der mitteilte, daß die Telefonleitungen wieder funktionierten.Sofort nach dieser Meldung, und ohne eine Erwiderung abzuwarten, machte der Soldat kehrt.
    Brackmann nickte, folgte ihm nach draußen. Es tröpfelte nur noch, es war fast windstill. Er drehte eine kleine Runde, überall war man damit beschäftigt, in den Überresten der Häuser und Wohnungen nach Angehörigen, Tieren und anderen liebgewonnenen Dingen zu suchen. Einigemal wurde er angehalten und gefragt, ob er diesen oder jenen gesehen hätte, doch fast immer mußte er bedauernd verneinen. Er half, wo er konnte; meist war es ein Kampf gegen die Zeit, ein ungerechter Kampf, denn die Zeit hatte einen gewaltigen Vorsprung.
    Eine Mutter brach zusammen, als ihr toter Sohn unter einem Haufen Steine hervorgezogen wurde, der Kopf eine blutige, unkenntliche Masse, die fast vollständig vom Hals abgetrennt war. Sie warf sich auf ihn und schrie vor Entsetzen, preßte ihren Kopf auf die klaffende Halswunde, bis ihr Mann sie gewaltsam hochzog und sie an sich drückte, ihren Kopf festhielt, damit sie nicht länger auf ihren toten Sohn sah. Behutsam führte er sie weg.
    Tonis Kneipe und das Rathaus sowie das Haus, in dem sich Angelas Wohnung befand, hatten, soweit Brackmann es überblicken konnte, der Schlacht mit nur geringen Blessuren getrotzt. Kurz bevor er sein Büro wieder erreichte, riß die Wolkendecke auf, Sternenlicht. Die Zellen waren leer. 4.45 Uhr.
     
    Gerade als Brackmann sich auf den Weg nach Hause machen wollte, um eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken, erschien Schmidt.
    »Ich schwöre Ihnen«, stieß er keuchend hervor, »so etwas habe ich noch nicht erlebt . . .«
    »Das hat noch keiner erlebt!« unterbrach ihn Brackmann.
    »Alles in Ordnung bei Ihnen?«
    »Ja, denke schon. Wir haben nicht mal ’ne Schramme abgekriegt. Aber ich habe von unserem Fenster aus alles beobachten können. Und, ob Sie es glauben oder nicht, es waren höchstens zehn Meter, die zwischen ihm und unserem Haus lagen! Es war der blanke Wahnsinn! Der blanke, absolute Wahnsinn!«
    »Was wollten Sie gerade tun?« fragte Brackmann.
    »Im Büro nachschauen, und –«
    »Gut, dann bleiben Sie hier und halten die Stellung. Das Büro muß jetzt ständig besetzt sein. Ich gehe schnell nach Hause, esse eine Kleinigkeit und ziehe mir etwas anderes an. Ich gehe davon aus, daß im Lauf der Nacht noch einige Anrufe eingehen werden. Haben Sie was von Richter gehört?«
    »Nein, bis jetzt nicht.«
    »Gut, wir sehen uns dann später.«
    Brackmann mochte nicht glauben, daß seine Wohnung kaum etwas abbekommen hatte. Lediglich ein Fenster stand offen, das Glas war gebrochen, Scherben lagen verstreut im Raum, doch ihm fiel ein, daß er vergessen hatte, es abzuschließen, bevor er das Haus nach Reuters Anruf verließ. Der Regen war vom Sturm ins Zimmer gepeitscht worden, der Fußboden, der Schrank und das Fußende des Bettes waren naß.
    Wie es aussah, hatte der Tornado etwa die Hälfte, vielleicht auch ein bißchen

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