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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Brackmann schätzte sie auf Ende Zwanzig, obwohl sie etwas älter wirkte, vielleicht wegen dem glanzlosen Ausdruck ihrer blaugrauen Augen und den bitter herunterhängenden Mundwinkel. Angela kam mit dem Kaffee aus der Küche, stellte das Tablett mit der Kanne und den Tassen auf den Tisch; der Duft erfüllte den Raum. Sie schenkte ein, setzte sich in den anderen Sessel.
    Sarah nahm die Tasse, führte sie an die Lippen, nippte und sagte: »Vielen Dank, daß Sie so schnell gekommen sind. Und vor allem, daß Sie uns nicht – ausgeliefert – haben.«
    »Nicht der Rede wert. Aber um Ihnen helfen zu können, müßte ich schon wissen, warum Sie fortgelaufen sind.«
    »Es ist eine lange Geschichte, aber ich werde mich kurz fassen.« Sie versuchte es zumindest, zum Abschluß sagte sie: »Herr Brackmann, jetzt, wo Sie alles gehört haben, werden Sie verstehen, daß es für mich nur eine Lösung geben kann. Ich muß weg, allein schon wegen meiner Tochter. Können Sie mir dabei helfen?«
    Brackmann lehnte sich zurück, hielt seine Tasse in der Hand, schüttelte den Kopf. »Wie stellen Sie sich das vor? Das würde Kampf mit Ihrer Familie bedeuten. Außerdem sind mir vom Gesetz her die Hände gebunden.« Er atmete kräftig ein und stieß die Luft hörbar durch die Nase wieder aus. »Wissen Sie, solange Sie nicht beweisen können, daß Sie mißhandelt oder vergewaltigt oder gar mit dem Todbedroht werden, so lange bin ich machtlos. Legen Sie ein ärztliches Attest vor, aus dem eindeutig hervorgeht . . . Ach, Scheiße, aber das sind nun mal die Gesetze, und an die muß ich mich halten, ob ich will oder nicht! Glauben Sie mir, ich verstehe Ihre Lage, aber ich darf sie nicht verstehen.«
    Sarah lachte sarkastisch auf. »Ich hätte es vorher wissen müssen! Es ist ein verdammtes Land! Die Gesetze hier sind für Männer gemacht! Von Männern für Männer! Wie konnte ich nur so blauäugig sein, anzunehmen, ich hätte eine Chance?! Aber ich schwöre Ihnen, jedes einzelne Wort, das ich Ihnen gesagt habe, ist wahr!« Sie machte eine beschwörende Geste. »Mein Gott, ich werde gehalten wie eine Gefangene, sie haben mir unmißverständlich gedroht, wenn ich mich scheiden ließe, würden sie mir Josephine wegnehmen. Mein Mann hat mich geschlagen, und das nicht nur einmal. Sogar meine Schwiegermutter hat mich schon geschlagen. Diese ehrenwerte Familie löst Probleme mit Gewalt. Denken Sie bloß nicht, die wären sich zu fein dafür! In dieser Familie leben lauter moralische Krüppel! Mein Schwager Jonas, der wahrscheinlich schon bald Ministerpräsident des Freistaates Bayern sein wird, hat mich nicht nur einmal sexuell belästigt, und ich könnte noch eine ganze Menge anderer Dinge auflisten. Aber ich weiß natürlich, diese Argumente zählen nicht für Sie!«
    »Frau Vandenberg, bitte, ich glaube Ihnen jedes Wort! Aber ich kann nichts machen! Außerdem, was sollte ich Ihrer Meinung nach tun? Hingehen und mit Ihrem Mann oder Ihrem Schwager sprechen? Was glauben Sie, was die mit mir anstellen?! Ich kann Ihnen nur eines vorschlagen: Verlassen Sie so schnell und so heimlich wie möglich die Stadt. Tauchen Sie unter. Sie werden doch sicherlich irgendwo Freunde oder besser noch Eltern haben, bei denen Sie sich verstecken können. Wenn ich irgendwie kann, helfe ich Ihnen dabei, mehr kann ich aber nicht tun«, sagteBrackmann eindringlich, trank den letzten Rest von seinem Kaffee und stellte die Tasse auf den Tisch.
    Sarah holte eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an, rauchte ein paar Züge, stieß den letzten durch die Nase wieder aus und sagte mit etwas ruhigerer Stimme: »Tut mir leid, es war auch nicht gegen Sie gerichtet. Es ist nur . . . ich renne gegen Gummiwände. Das ist alles. Ich habe einfach Angst, meine Tochter zu verlieren, und natürlich habe ich auch Angst, zurückzumüssen. Wie es scheint, wird mir aber nichts anderes übrigbleiben. Aber Sie sollten sich trotzdem noch Csilla anhören. Vielleicht können Sie ja wenigstens für sie etwas tun. Komm, Csilla, du bist jetzt an der Reihe.«
    »Könnte ich vielleicht einen Cognac oder etwas anderes in der Richtung haben?« fragte Csilla.
    »So früh am Morgen?« fragte Angela Siebeck verwundert. »Möchten Sie nicht vorher etwas essen?«
    »Nein. Es ist nur . . . ich kann mich sonst nicht konzentrieren . . . Tut mir leid.«
    Angela holte eine fast volle Flasche Weinbrand aus dem Schrank und stellte sie zusammen mit einem Glas vor Csilla. Ihr

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