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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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Attraktion Hof gehalten hat. Der Maître ist ein junger Bursche mit Marseiller Akzent und kennt ihn offensichtlich nicht. Aber die Stühle sind noch die alten, und auch die Leinentischdecken und das Silberbesteck sind unverändert. Diese Details schenken ihm eine gewisse Hoffnung auf Wiederanknüpfung. Aber es sind nur Details.
    L’homme sauvage  Er hat in den Schweizer Alpen Zuflucht gesucht und hält sich dort sechs Jahre lang versteckt.
    Er beobachtet die Menschen. Die einfachsten sind für ihn die interessantesten.
    Das Hotelzimmermädchen macht nie den Mund auf, ist aber ganz außergewöhnlich flink. Der kleine Kofferträger macht liebend gern Krach, der Nachtportier raucht Pfeife und stößt dicke Rauchwolken aus. Der Zeitungsverkäufer redet immer sehr laut und gibt sich gern gebildet. Das Mädchen an der Garderobe verbringt ihre Schicht damit, ihr Make-up aufzufrischen.
    Alberto bewegt sich unter den einfachen Leuten mit dem deutlichen Gefühl, dass er sie versteht.
    Eines Tages erzählt ihm der Zeitungsverkäufer, dessen Zeitungen Alberto nicht liest, dass ein Amerikaner im Alleinflug den Atlantik überquert hat. Den menschenscheuen Alberto schaudert es unter dem Redeschwall des alten Schwätzers.
    Ein Flieger und sein Flugzeug mitten über dem Meer, den Unwettern trotzend.
    Es juckt ihn in den Fingern.
    Seine Rettung ist, dass Cristina Penteado mit all ihrer Empfindsamkeit eintrifft.
    Alberto, du wirst noch zu einer Ziege, wenn du hier weiter in den Alpen rumkletterst.
    Und was ist mit Brasilien, Cristina?
    Brasilien? Was für eine Frage!
    Ich habe gehört, dass ein Hauptmann mit einer Kolonne von Aufständischen über Land zieht.
    Das ist Hauptmann Prestes. Der ist bereits in Bolivien im Exil. Und du, wie ist es dir ergangen?
    Mir? Ich lebe von Zinsen und bei kümmerlicher Gesundheit.
    Lettres d’un seigneur  Lieber Antônio Prado!
    Nachdem ich all diese Jahre abgeschieden in der Schweiz gelebt habe, denke ich daran, endgültig in mein Heimatland zurückzukehren. Vielleicht lässt es meine Freunde ja inzwischen kalt, dass ich wieder einmal endgültig zurückkehre, aber ich fühle, dass es mit meinen Kräften zu Ende geht. Nach so vielen Jahren habe ich das Bedürfnis nach Brasilien …
    Alberto.
    Nourritures  Lieber Alberto!
    Wir erwarten dich mit offenen Armen. Brasilien hat sich nicht viel verändert.
    Antônio Prado.
    Auf dem Weg lag ein Stein  Der Überseedampfer »Ca. Ancora« taucht draußen auf See vor der Guanabara-Bucht auf. An Deck steht Petitsantôs mit dem Fernglas in der Hand und blickt auf die Berge, die durch den Schleier verdunstender Feuchtigkeit schimmern. Er hört etwas brummen und stellt das Fernglas scharf.
    Ein auf den Namen Santos Dumont getauftes Wasserflugzeug voller Freunde, die aus den Luken winken, fliegt über den Dampfer.
    Der Motor gibt stotternde Geräusche von sich und fällt aus. Die Maschine gerät ins Trudeln und versinkt im Meer. Keiner überlebt.
    Carioca  In einem Lokal in Lapa.
    Dieses Unglück, so was aber auch! Und nicht einer hat’s überlebt. Der bringt aber auch Pech, dieser Typ. Dieser Santos Dumont.
    Im Ernst?
    Ein ausgemachter Pechvogel.
    Unberufen, toi, toi, toi.
    Kleidersorgen  Die Freunde sind alt und feist wie Mastschweine.
    Die Fremden brutal und rücksichtslos.
    Alle scheinen ihn für den Absturz der Santos Dumont verantwortlich zu machen.
    Er flieht jede gesellschaftliche Verpflichtung und jede Art von Feier.
    Den Jahreswechsel erlebt er auf einem Vollblut reitend im Stadtteil Butantã in São Paulo.
    Der Börsenkurs des Kaffees fällt, und Cristina Penteado verliert ihr gesamtes Vermögen. Ihre Kaffeefazenda in Catanduva verkauft sie an den italienischen Aufseher und ihr Stadtpalais in der Avenida Angélica an einen arabischen Kaufmann. Die Krise.
    Getúlio Vargas, inzwischen herangewachsen, steigt in Porto Alegre in einen Zug und in Rio de Janeiro aus. 3000 Gaúchos besetzen den Platz Cinelândia und binden ihre Pferde an dem Obelisken in der Avenida Rio Branco an.
    Tagebuch von Cristina Penteado  12. Mai 1930 – Liebes Tagebuch.
    Empfang im Reitklub. Habe Alberto getroffen. Mein Gott, wie mager und geschwächt er ist. Sein Haar ist vollkommen ergraut, und er wirkt noch kleiner, als er schon ist. Er hat gleichgültig mit mir gesprochen. Es tat in der Seele weh, aber ich habe ihm verziehen. Das soll an seiner Krankheit liegen. Habe erfahren, dass er wenig aus dem Haus geht, weil er ständige Pflege braucht. Es schmerzt, dass ein

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