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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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schlafen. Er hatte den ganzen Tag auf dem Verschiebebahnhof Kakerlaken gejagt, und falls er nicht auf der Stelle ein Nickerchen machte, wäre er für nichts mehr zu gebrauchen. Die Eisenbahnschiene wärmte angenehm den Kopf, und er preßte sich mit dem Bauch fest gegen die Schwellen – ein wirklich gemütlicher Schlafplatz.
    Der 16.40-Uhr-Zug von Madrid ist ein Schnellzug, der normalerweise niemals kurz vor Cádiz anhält, aber dieses Mal war das ganz anders. Er hielt mit solcher Wucht an, daß sämtliche Waggons entgleisten und erst zum Stillstand kamen, als sie den ganzen Bahndamm hinuntergeschleift worden waren. Wie durch ein Wunder wurde niemand ernsthaft verletzt.
    In bester Katzenmanier wurde der Kater spielend damit fertig. Er war nicht im geringsten überrascht, daß er von einem über seinen Kopf rollenden Schnellzug geweckt wurde, und erst als das letzte Antriebsrad der Lokomotive von seinem Ohr abgeprallt und in die Luft geflogen war, stand er auf, leckte sich die Pfoten und machte sich auf die Suche nach einem weniger geräuschvollen Fleckchen Erde. Auf dem Weg dorthin fing er eine große Hausratte, die bemerkenswert wenig Widerstand leistete; sie rollte sich lediglich zu einer Kugel zusammen und quietschte ein- oder zweimal. So etwas war ihm während der letzten vierhundert Jahre häufig passiert, und der Kater fand, daß einem auf diese Weise jede Freude an der Jagd geraubt wurde.
    Drei Tage später wurde er mit Hilfe einer Schale Milch und mit Katzenminze von ein paar Männern mit Gasmasken in einen Käfig gelockt und in ein großes Gebäude gebracht, in dem alle Wände weiß gestrichen waren. Überall standen Geräte herum, die wissenschaftlichen Zwecken dienten. Es war dort langweilig, aber Unterkunft und Verpflegung waren gut, und man mußte dem Fressen nicht hinterherjagen, wenn einem nicht danach war. Die Männer mit den Gasmasken versuchten, den Kater mit merkwürdigen Lampen und großen, sich ständig drehenden Metallzylindern zu einigen äußerst kindischen Spielen zu animieren, aber nach einer Weile gaben sie auf. Ein, zwei Tage danach steckten sie ihn wieder in einen Käfig, brachten ihn zum Flughafen und verschickten ihn von dort aus nach Inverness.
     
    Damals hatten alle ihr Erstaunen darüber geäußert, wie es ein Mann bis zur körperlichen und womöglich geistigen Reife hatte bringen können, der freiwillig Kusine Shirley heiraten wollte. Kaum hatte dieser Trottel von Bräutigam allerdings durchblicken lassen, Shirley an die nördlichste Spitze von Schottland zu entführen, sobald er sich sämtlichen Reis und alles Konfetti aus den Haaren geschüttelt habe, waren alle verdächtig ruhig geworden. Tante Diana vergaß damals sogar ihre Arthritis, um ihre Finger während der sechs Monate dauernden Verlobungszeit gekreuzt halten zu können. Andererseits schien Julian ein ganz netter junger Mann zu sein, wenn man sich erst einmal an ihn gewöhnt hatte, und es war wirklich nicht fair, ihn nicht genauer über seine zukünftige Frau zu informieren, aber niemand wollte diese Aufgabe übernehmen. Shirley war eine widerspenstige Braut, und als Julian ihr etwas ungeschickt den Ring auf den Finger steckte, schnalzte sie so laut mit der Zunge, daß ihre Mutter glaubte, alles sei bereits vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte. Aber der Gottesdienst wurde bis zum tragischen Ende fortgesetzt, und Shirley fuhr endlich davon. Nach den Hochzeitsgeschenken zu urteilen, die sie bekamen – einen Dosenöffner von ihren Eltern, ein Wollknäuel von Jane, drei Büroklammern von Paul, Jenny und den Zwillingen sowie eine Papiertüte von Onkel Stephen –, schien man den Kontakt zwischen den Neuvermählten und dem Rest des Hauses Doland nicht unbedingt aufrechterhalten zu wollen. Große Entfernungen können aber oft sehr heilsam sein, und so vergaß niemand, Julian jedes Jahr eine Geburtstagskarte zu schicken.
    Obwohl Jane Mr. und Mrs. Regan in ihrer neuen Wohnwerkstatt nie besucht hatte – der Bungalow lag nur einen Kanonenschuß von der romantischen Burg von Mey entfernt –, konnte sie sich auch so vorstellen, wie es drinnen aussah; bestimmt entsetzlich. Und das war es dann auch.
    Kusine Shirleys Begrüßung von Jane fiel überaus typisch aus. »Du kommst ganz schön spät«, sagte sie und fügte umgehend hinzu: »Putz dir die Schuhe ab.«
    Mr. Demaris war ein großer Mann, Ende vierzig, und sah wie ein Fernsehstar aus dem Vorabendprogramm aus, der einen ausschweifenden Lebenswandel führt. Er besaß

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