Der fliegende Weihnachtskater
in der Hand.
Es war natürlich Blödsinn, sich irgendwelche Absturz-Szenarien vorzustellen. Oft genug hatte er schon Meldungen von Piloten entgegengenommen, die einen technischen Fehler bemerkt hatten und dennoch sicher gelandet waren. Wenn Amita nicht zu einem anderen Flughafen ausweichen wollte, dann war das ihre Entscheidung. Sie wusste genau, was sie sich und der Maschine zumuten konnte. Vermutlich hatte sie noch nicht einmal die Passagiere informiert, um eine Panik zu vermeiden. So kühl, wie sie ihn immer behandelte, würde sie auch diesen Fall abwickeln.
War sie eigentlich wirklich so kühl und gelassen?
Janina hatte augenscheinlich ein ganz anderes Bild von ihr. Sie fand sie lustig und lieb und manchmal ein wenig traurig. Kinder hatten ein gutes Gespür für Menschen, seine Tochter überraschte ihn da sowieso immer wieder. Anfangs hatte er die Pilotin einfach gerne ein bisschen aufgebracht, weil sie so sehr an ihrem Status als Flugkapitän zu hängen schien. Frauen, die diesen Beruf wählten, waren noch immer selten und mussten sich sicher einiges an bescheuerten Vorurteilenanhören. Üblicherweise hatten sie auf dumme Sprüche meist noch herzhaftere Antworten. Dass Captain Bunny hingegen so knochentrocken nüchtern blieb, hatte ihn gereizt. Er wollte herausfinden, wann ihr denn wohl der Kragen platzte und sie es ihm mit gleicher Münze heimzahlte. Aber sie hatte sich fabelhaft unter Kontrolle. Er hatte sie also als humorlose Pedantin abgestempelt, bis zu dem Augenblick, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Bis zum Zeitpunkt ihres Einzugs in die neue Wohnung kannte er nur ihre Stimme. Dann aber, als er gerade an Janinas Fahrrad herumbastelte, war sie aus der Haustür getreten. Er war sich ganz sicher, dass er ihr den Anblick eines minderbemittelten Hammels in Hosen geboten hatte, der mit offenem Maul, sabbernd und hervorgetretenen Augen mit den Hufen scharrte. Und als er sich von dem Schock erholt hatte, war ihm nicht nur ein dümmliches Grinsen, sondern eine noch dümmlichere Bemerkung entwischt. Er hätte sich in seinen Hammelhintern beißen können.
Kapitän Amita war nämlich eine bestrickend schöne Frau. Und das Lächeln, das sie Janina geschenkt hatte, war eines, nach dem er sich seither in seinen Träumen sehnte. Er wünschte sich, es würde einmal ihm gelten.
Aber die Situation war verfahren. Er hatte es versucht, sich ihr auf andere Weise ein wenig gefällig zu machen, hatte Janina nach Dingen gefragt, die sie offensichtlich besonders gerne mochte. Da stand an ersterStelle wohl dieser mürrische Kater, mit dem seine Tochter sich so gerne abgab. Dessen ganze Geschichte hatte sie ausgeplaudert, und dabei hatte er auch so einiges über Amitas Herkunft und Familie gelernt. Nein, er hatte Janina nicht darauf angesetzt, ihre Freundin auszuspionieren, aber die wichtigsten Fakten hatte er zusammengetragen. Ihr Vater war Innendekorateur, ihre Mutter, eine Inderin, Ingenieurin bei einer großen Fluggesellschaft. Von ihr mochte sie die grazile Gestalt und das blauschwarze Haar haben. Er vermutete aber, dass ihre grünen Katzenaugen Erbe ihres Vaters sein konnten.
Er hatte sich sogar eines nicht wirklich korrekten Übergriffs schuldig gemacht und eines Tages Janina oben an ihrer Wohnungstür abgeholt. Dabei hatte er einen Blick hineingeworfen und Bekanntschaft mit dem Kater gemacht. Ein schlankes, grau-schwarz getupftes Tier mit ungewöhnlich großen Ohren und einem Blick, der ihn wie ein Laserstrahl zu durchdringen schien.
Als er ihn damals, nach seinem missglückten Ausflug wieder eingefangen hatte, war dieser sengende Blick das Einzige, was an dem kranken Kater noch richtig lebendig gewesen war.
Lächelnd dachte Remo daran.
Der Kater hatte den selben Blick wie seine Menschenfrau.
Unwillige Versprechen
Wieder und wieder entzog sich dieser verdammte Teppich meinen Versuchen, ihn zu zähmen.
Ich funkelte ihn an. Mit meinem schärfsten Blick. Dann fauchte ich.
Die Fransen flatterten. Im Wind, nicht weil er abheben wollte.
Und in mir machte sich das ekelhafte Gefühl breit, dass ich auf ihn angewiesen war, weil ich nur mit ihm ein gewaltiges Unglück vermeiden konnte.
Warum war das so?
Kam diese Warnung, dieses Vorherahnen möglicherweise von ihm?
Sollte es vielleicht an diesem Silberfaden liegen?
Silberfaden.
Was hatte Meena gesagt? Die Silberfäden stellten eine Verbindung her. Zwischen Lebewesen. Nicht zwischen Katzen und Teppichen.
Die Nervosität in meinem Schwanz nahm weiter
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