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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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sie mich kalt; sie störten mich nicht mehr. Meine Mam war wieder einfach meine Mam und Mr. Wilson war Mr. Wilson. Sie kamen gemeinsam zu Besuch; und auch das störte mich nicht, bis auf den Umstand, dass ich viel lieber im Aufenthaltsraum geblieben wär und mir weiter Lucky Ladders oder Going for Gold angeschaut hätte oder sonst irgendwas. Aber Brendan sagte, ich müsse auf die Station und meinen Besuch begrüßen. Meine Mam umarmte mich, wie sie mich jedes Mal umarmte. Trotzdem wär ich lieber wieder in den Aufenthaltsraum gegangen. Aber man ließ mich nicht. Ich musste neben meinem Bett sitzen und meine Mam gab mir irgendein Mitbringsel; und Mr. Wilson tätschelte mein Knie und sagte, es gehe mir ja schon viel besser. Und ich nickte nur und starrte beide an. Oder starrte zu Boden. Und ich sehnte mich die ganze Zeit in den Fernsehraum zurück.
    Mr. Wilson sagte, es gehe mir ja schon wieder richtig gut, richtig gut. Meine Mam fragte, warum ich denn meine Geschenke nicht auspackte. Mr. Wilson sagte, es sei erstaunlich, wie sehr sich schon alles zum Besseren gewendet habe. Meine Mam fragte, ob sie mir vielleicht helfen solle, meine Geschenke auszupacken. Mr. Wilson sagte, er habe ein langes Gespräch mit dem Chefarzt geführt, der mit mir sehr zufrieden sei. Meine Mam hielt das Buch in die Höhe, das sie inzwischen für mich ausgepackt hatte, und sagte, sie habe gedacht, ich würde mich drüber freuen. Mr. Wilson sagte, das seien ja wirklich ganz außerordentliche Fortschritte. Und wenn ich so weitermachte, bekäme ich nachmittags bald mal ein paar Stunden Ausgang. Und dann würden wir irgendwo hinfahren, wo es schön sei, er werde uns im Auto mitnehmen, mich und meine Mam. Meine Mam sagte: »Das Buch hier, die Autobiographie von Bob Geldof, soll sehr gut sein.« Und dann las sie mir ein paar Zeitungskritiken vor, die hinten auf dem Einband standen. Mr. Wilson sagte zu meiner Mam, jetzt sei sie doch bestimmt sehr erleichtert, wie gut ich auf die Behandlung anspräche. Aber meine Mam antwortete nicht.
    Denn jetzt hatte meine Mam den Kopf gesenkt, als läse sie in dem Bob-Geldof-Buch. Aber in Wirklichkeit weinte sie. Und eigentlich hätte es mir nahe gehen müssen, dass meine Mam dasaß und heimlich weinte. Aber es ging mir nicht nahe. Es ließ mich kalt. Ich wusste, es hätte mich traurig machen müssen; ich wusste, es hätte Trauer und Besorgnis in mir auslösen müssen, dass meine Mam dasaß und stumm vor sich hin weinte. Aber ich war nicht traurig; ich war nicht besorgt; ich war überhaupt nichts mehr. Es war, als sei irgendwas in meinem Innern zugemacht und abgeschlossen worden; der Bereich, in dem man sonst Trauer, Kummer und Sorge empfindet.
    Mr. Wilson sagte, es grenze an ein Wunder, was man heute alles mit der richtigen Behandlung erreichen könne. Er sagte, man lerne Tag für Tag mehr über meinen Zustand. Und das wiederholte er dann noch zehn Mal in leicht abgewandelter Form. Aber es ließ mich kalt, denn es war wie in den Gameshows im Fernsehen, bei denen auch immer und immer wieder das Gleiche passiert; deshalb schaute ich sie mir ja so gern an, weil alles immer gleich blieb. Aber Mr. Wilson merkte nicht, dass meine Mam weinte; er schwadronierte weiter über die Wunder der modernen Medizin und merkte gar nicht, dass meine Mam weinte, während sie sich über das Bob-Geldof-Buch beugte.
    Erst als sie sich mit einem Taschentuch die Augen wischte, fragte er: »Alles in Ordnung, Shelagh?«
    Und meine Mam erwiderte, sie hätte nur was im Auge gehabt. Daraufhin sah er sie missbilligend an und meinte, ja, wahrscheinlich Wimperntusche. Meine Mam nickte. Und dann meinte er genervt, er könne einfach nicht verstehen, dass meine Mam sich mit dem Zeug anmale wie eine ganz gewöhnliche Person, wo ihre Augen im natürlichen, ungeschminkten Zustand doch viel besser wirkten.
    Meine Mam würdigte ihn keines Blicks. Sie nickte nur und lächelte mich krampfhaft an, während Wilson vom Make-up zu ihren Schuhen überging und bemängelte, ihre Absätze seien viel zu hoch und eigentlich sowieso überflüssig. Es sei doch heutzutage allgemein bekannt, dass solche Schuhe später zu erheblichen Bandscheibenproblemen führen könnten. Meine Mam nickte wieder und starrte mich weiter an. Dann sagte er, dieser schlechte Geschmack bei der Wahl ihres Schuhwerks resultiere aus unglücklichen Verhaltensmustern in ihrer Jugend. Aber wenn sie erst mal verheiratet seien, fuhr er fort, dann werde er seine Mitgliedschaft im Wanderverein in eine

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