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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Oma die Hölle wär, und wenn man sich’s mal genau überlegte, hätte Norman damals ganz Recht gehabt, als er meinte, der Himmel sei wahrscheinlich ein total beschissenes Drecksloch.
    Sie brachten mich im Taxi hin, Norman, Twinky und meine Mam. Sie waren alle sehr lieb zu mir und hielten mich an der Hand. Und ich erfuhr erst lange, lange Zeit später, dass sie mich festgehalten und geschützt hatten, während ich den ganzen Weg zurück nach Swintonfield plapperte, weinte und lachte und ihnen tolle Ideen präsentierte wie etwa die, dass wir doch alle nach Swintonfield zurückrennen könnten! Und deshalb wollte ich dauernd die Wagentür öffnen, weil ich glaubte, es könne mir überhaupt nichts passieren, wenn ich aus dem fahrenden Taxi sprang.

    Morrissey, ich überlege schon die ganze Zeit, was du wohl denkst, wenn du diese Briefe liest; vermutlich könntest du durchaus zu dem Schluss kommen, dass ich wirklich nur ein armer Irrer bin. Und ich würde dir nicht mal einen Vorwurf machen, Morrissey; denn alle möglichen Leute, Leute die mich kannten, haben damals gedacht, ich sei verrückt, irgendwas stimme nicht mit mir und ich würde nie wieder normal werden. Aber es kam anders, Morrissey.
    Deshalb möchte ich dich beruhigen; weil ich weiß, dass eine öffentliche Person wie du sehr viel unerwünschte Aufmerksamkeit erhält und häufig Briefe von Leuten kriegt, die nicht ganz bei Trost sind. Aus Gesprächen mit andern Fans weiß ich, dass es eine ganze Menge Leute gibt, die irgendwann den Kontakt zur Realität verlieren und plötzlich denken, sie hätten eine persönliche Beziehung zu dir. Aber so bin ich nicht, Morrissey.
    Ich weiß, mir ging es nicht gut. Aber wenn ich damals den Kontakt zur Realität verloren hatte, dann nur wegen dem, was passiert war. Meine Mam sagt, wenn ich damals vielleicht wirklich ein bisschen verrückt gewesen bin, dann nur deshalb, weil mich all das, was passiert war, in den Wahnsinn getrieben hat.
    Es war nur eine Phase, Morrissey, nur eine Phase, die ich damals durchmachte. Und nachdem ich endlich aus Swintonfield entlassen worden war, hatte ich keinerlei Anfälle mehr. Sie sagten damals, das komme von all dem Stress und Druck, von meinen Angstzuständen. Und die Medikamente würden mir die Ruhe geben, die ich so dringend bräuchte.
    Aber ich sagte, ich hätte gar keinen Druck oder Stress, ich hätte gar keine Angstzustände. Nach dem Begräbnis, als mich meine Mam, Twinky und Norman zurückbrachten, sagte ich ihnen, ich sei kein bisschen deprimiert. Selbst beim Weinen war ich glücklich! Und als meine Mam und meine Freunde mich durch die diversen Türen zur Anmeldung führten, war ich völlig überdreht, richtig aufgekratzt, in Hochstimmung; mir fuhren tausend Ideen durch den Kopf und sprudelten gleich aus mir raus – was wir alles zusammen unternehmen würden und dass uns niemand dran hindern könnte; und dass wir alles, alles tun könnten, was wir nur wollten, ohne Zögern und Zaudern, ohne Angst und ohne dass es Konsequenzen hätte. Während meine Mam mit der Schwester an der Pforte sprach, sagte ich Twinky und Norman, sie könnten beide bei mir auf der Station wohnen und meine Mam würde uns leckere Sachen zum Essen mitbringen und dann könnten wir im Krankenzimmer Picknicks veranstalten. Twinky sagte, das klinge ja himmlisch. Und Norman nickte.
    Aber als sie sich ansahen, hatten sie Tränen in den Augen.
    Und dann waren da plötzlich Brendan, sein kahl rasierter Kollege und noch ein paar andere Pfleger. Sie nahmen mich links und rechts am Arm und redeten mir zu wie einem kleinen Kind. Dann führten sie mich zum Lift. Aber Twinky, Norman und meine Mam kamen nicht mit. Sie waren nicht mehr da. Ich wollte mich nach ihnen umdrehen, aber die Pfleger führten mich unerbittlich weiter. Und da musste ich mich ja wehren, weil sie nicht stehen blieben und ich mich nicht nach meiner Mam und meinen Freunden umdrehen durfte! Ich wollte wirklich niemandem wehtun und niemanden schlagen. Ich wollte einfach nur, dass sie mich LOSLIESSEN, damit ich mich umdrehen konnte. Und als ich losbrüllte, wollte ich damit niemandem Angst einjagen, auch nicht der alten Frau, die gerade aus dem Lift stieg. Ich wollte nur, DASS SIE MICH LOSLIESSEN. Ich wollte mich doch nur noch mal nach meinen Freunden und meiner Mam umdrehen. Aber SIE LIESSEN MICH NICHT. Brendan und die andern Pfleger LIESSEN MICH NICHT LOS. Und nur aus diesem Grund ließ ich mich zu Boden sacken und rief heulend nach meinen Freunden und

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