Der Fliegenfaenger
wirklich Leid. Sag dem Jungen, dass es mir Leid tut.« Dann nahm er sein Banjo und schlich davon.
Meine Mam erzählte immer, sie hätte lange Zeit geweint, nachdem sie meinen Dad rausgeworfen hatte. Aber daran kann ich mich nicht erinnern, weil ich ja noch im Kinderwagen lag.
Denkjetzt bitte nicht, Morrissey, ich würde es meinem Dad nachtragen, dass er einfach verschwunden ist. Mein Dad war kein schlechter Mensch. Er war nicht wie Tony Perronis Dad, der mit der Katalogbearbeiterin von Littlewoods durchbrannte und Mrs. Perroni mittellos zurückließ, sodass sie den kleinen Tony und die anderen Perroni-Sprösslinge ohne Unterhaltszahlungen von ihm großziehen musste; und Mrs. Perroni erzählte überall rum, dass sie Littlewoods vor Gericht zerren wolle, weil eine der Firmenvertreterinnen ihr den Mann ausgespannt habe. Aber dann endete es doch damit, dass die Firma Tonys Mam ein Porzellanservice und einen Mikrowellenherd schickte, mit den besten Empfehlungen. Und statt zu prozessieren, verkündete Mrs. Perroni nun, wie Schweinebraten schmecken muss, das wisse man erst, wenn man ihn mal in der Mikrowelle zubereitet habe. Jeder war froh, dass es Mrs. Perroni wieder besser zu gehen schien. Doch wenn Mr. Perronis Name fiel, waren sich alle einig, dass er ein richtiger Schuft sei, weil er sich mit der Katalogbearbeiterin abgesetzt und seine Frau mit den Kindern im Stich gelassen hatte.
Aber bei meinem Dad war es anders; mein Dad war ja nicht einfach abgehauen, sondern von meiner Mam rausgeworfen worden. Und obwohl meinen Dad alle gern hatten, verstanden sie doch auch, was für ein Martyrium es für meine Mam gewesen sein musste, dauernd diese Instrumente zu ertragen und nie einen anständigen Rasen zu kriegen. Aber das war auch schon das Negativste, was die Leute über meinen Dad sagten (bis auf meinen Drecksonkel Jason!). Und es gab sogar einige, die voller Mitgefühl den Kopf schüttelten, wenn mein Dad erwähnt wurde. Meine Oma zum Beispiel. Obwohl sie die Mam meiner Mam war und nicht die Mam meines Dads, sagte sie immer: »Gott schütze ihn. Der arme Johnny! Er hatte die Süße sonnengereifter Orangen. Aber ich habe mich oft gefragt, ob er überhaupt von dieser Welt ist.«
Das sollte keineswegs heißen, dass sie meinen Dad für bekloppt hielt! Nur mein Drecksonkel Jason behauptete immer, mein Dad hätte nicht alle Tassen im Schrank und darum hätte ich mich auch so entwickelt. Aber das hatte damals absolut nichts mit meinem Dad zu tun und ich gebe ihm keine Schuld für das, was mir passiert ist. Er konnte einfach nichts dafür. Meine Mam hat immer gesagt, es sei für uns alle besser gewesen, getrennte Wege zu gehen. Und weder habe ich meinen Dad vermisst, noch fühlte ich mich irgendwie benachteiligt, denn ich hatte ja meine Mam und meine Oma, und bis ich in die Schule kam, wusste ich nicht mal, dass ich eigentlich auch einen Dad haben sollte. Und in der Schule gab es viele andere Kinder, die auch keinen Dad hatten, zum Beispiel Tony Perroni, und deshalb hat das eigenlich nie eine Rolle gespielt. Erst nach der Sache am Kanal.
Da sagte meine Mam zum ersten Mal, dass es vielleicht besser gewesen wär, wenn sie meinen Dad nicht rausgeworfen hätte. Da sagte sie zum ersten Mal, dass es vielleicht nie solche Probleme gegeben hätte, wenn all die Jahre ein Mann im Haus gewesen wär. Sie führte alles darauf zurück, dass sie meinen Dad damals rausgeschmissen hatte und mir deshalb eine männliche Identifikationsfigur fehlte. Sie sagte sogar, vielleicht sei es ja noch nicht zu spät und vielleicht sollte sie sich öfter mal aufraffen, um in einem Pub oder Club oder sonst irgendwo einen netten Mann zum Heiraten zu finden, damit ich wenigstens einen Stiefvater hätte. Bei diesen Worten brach ich in Tränen aus, weil ich nicht wollte, dass sie in irgendwelchen Pubs und Clubs für mich einen Stiefvater suchte. Ich wollte keinen Stiefvater!
Aber das durfte ich nicht sagen, weil es der Tag war, an dem die Sache mit dem Kanal passiert war, der Tag, an dem ich zum gefallenen Helden wurde, der Tag, an dem der Abteilungsleiter im KwikSave zu meiner Mam an die Kasse kam und ihr mitteilte, dass sie sofort in die Schule kommen müsse. Es war der Tag, an dem meine Mam ins Zimmer des Direktors geführt wurde, wo schon Mrs. Bradwick und der Neue Schulleiter auf sie warteten. Und beide saßen mit feierlicher Miene da und starrten meine Mam so lange an, bis sie ganz nervös wurde und stirnrunzelnd fragte: »Was ist denn los?«
Und da
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