Der Fliegenfaenger
ihnen! Es sind nur Erdlinge, in einer Welt, die für dein Genie noch nicht reif ist!«
(Ich hatte mir bewusst nur wenig von Frank Zappa angehört und fand ihn ziemlich grässlich, aber in dieser Situation hielt ich wohl besser den Mund.)
»Gott möchte Zappa nämlich bei sich haben!«, verkündete der Stationsvorsteher jetzt. Ich starrte ihn an und er nickte. Dann fuhr er fort: »Und weißt du auch, warum? Weißt du, warum Gott Frank bei sich haben möchte?«
Ich schüttelte den Kopf.
Und in die fast ehrfürchtige Stille hinein erklärte der Stationsvorsteher: »Weil Gott im Himmel ganz allein ist, ohne einen Geist, der sich mit seinem messen könnte!«
Der Stationsvorsteher sah mich ernst und feierlich an, und ich hatte jetzt doch den Eindruck, dass er ein bisschen plemplem war. Aber ich sagte immer noch nichts und sah ihn nur an. Er nickte und drückte seine Zigarette aus. Dann meinte er: »Kann ich dich mal was fragen?«
»Klar«, sagte ich.
»Was hast du da vorhin in dieses Buch reingeschrieben?«
»Nichts«, sagte ich, »nur ein paar … Gedanken.«
Er nickte. »Kommst dir wohl wie ein richtiger Schriftsteller vor?«
»Nein«, widersprach ich, »ich hab nur … das ist nur so’n Heft, in das ich meine Songtexte schreib und Briefe und so.«
Jetzt fuhr er mich richtig fies an: »Du bist doch nie im Leben ein Schriftsteller!«
Ich schaute mich um.
»Hey! Hey!«, rief er. »Ich rede mit dir, Morrissey-Mann; schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«
Also schaute ich ihn an. So langsam kam mir der Verdacht, dass es vielleicht doch besser gewesen wär, wenn mich draußen die Polizei erwartet hätte.
»Du sitzt da in meinem scheiß Büro«, sagte er, »und schreibst stundenlang Sachen in dieses Buch. Schreibst, verdammt noch mal!«, sagte er. »Schreibst! Aber ich bin Schriftsteller! Ich schreibe Bücher! Jawohl!«
Die Augen sprangen ihm fast aus dem Kopf, an seiner Schläfe pochte eine dicke Ader. »Ich werde heute Abend ein Buch schreiben!«, sagte er. »Wenn ich nach Hause komme, schreib ich ein Buch! Vielleicht schreib ich heute Nacht sogar zwei Bücher!« Jetzt packte er mich vorn am T-Shirt und stierte mich an. »Eine Trilogie!«, sagte er. »Drei Bücher, vielleicht schreibe ich heute Nacht sogar drei Bücher! Was sagst du jetzt, Morrissey-Mann? Was sagst du jetzt?«
Ich hielt diese Produktivität zwar für grotesk, zuckte aber nur die Achseln.
Und dann sagte ich: »Tja … Jeffrey Archer scheißt sich wahrscheinlich vor Angst in die Hose.« Jetzt schaute mich der Stationsvorsteher an, als sähe er mich zum ersten Mal.
»Wer?«, fragte er. »Wer?« Und ließ endlich mein T-Shirt los.
Ich hob schnell meine Sachen auf und sagte: »Ich, äh … ich muss jetzt weg. War wirklich nett, mit Ihnen zu reden, aber ich muss nach Grimsby und außerdem haben Sie heute Abend ja anscheinend noch allerhand vor.«
Ich zog los, doch er rannte mir nach. Er packte mich am Arm, drückte mich gegen einen Laternenpfahl und starrte mich mit seinem wilden, unheimlichen Blick an. Ich dachte schon, jetzt würde er mich gleich verprügeln oder umbringen. Aber da sagte er: »Hier, Kumpel.«
Und als ich runterschaute, hielt er mir einen Zehnpfundschein hin.
»Nimm das, Morrissey-Mann«, sagte er. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Da!«
Ich sah ihn nur verwirrt an und schüttelte den Kopf.
»Jetzt nimm schon. Du wirst es gut brauchen können auf deiner mühsamen Reise.«
Und mit diesen Worten stopfte er mir den Zehner in die Hosentasche. »Das reicht für den Bus«, sagte er. »Du musst jetzt erst mal nach Huddersfield. In der Gibbet Street ist der Busbahnhof.«
Und dann nickte mir der Stationsvorsteher zu, drehte sich um und ging zu seiner Haltesstelle. Und obwohl er mich zu Tode erschreckt hatte, tat er mir irgendwie auch wieder Leid. Deshalb rief ich ihm nach: »Also, dann nehm ich das Geld! Und danke, dass Sie mich haben laufen lassen! Ich werd eins Ihrer Bücher lesen, wenn es erscheint – versprochen!«
Da drehte er sich um. Und seine Stimme klang stolz und hoheitsvoll: »Das wird nicht gehen, Morrissey-Mann!«, rief er und lachte. »Die schreibe ich nämlich alle hier oben!« Er tippte sich mit dem Finger an den Kopf. »Alle meine Bücher«, rief er, »sind hier oben drin!«
Und dann musste er wohl seinen Bus erspäht haben, denn plötzlich rannte er los und war kurz darauf verschwunden. Ich glaub, dieser Stationsvorsteher war ein sehr bedauernswerter Mensch. Es müssen wundervolle Bücher
Weitere Kostenlose Bücher