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Der Fliegenpalast

Der Fliegenpalast

Titel: Der Fliegenpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Hegel gestoßen, dem er teilweise zustimmen konnte. Es hieß sinngemäß, der lyrische Dichter sei die exemplarische Verkörperung des jungen Menschen, der von den Hochflügen seiner Seele berauscht sei. Die Adoleszenz sei die Zeit, in welcher der Mensch, auf sich selbst bezogen, unfähig sei, sich seiner Umwelt ungetrübt bewußt zu werden. Und sobald der Künstler die Schwelle von der Unreife zur Reife überschreite, verlasse er oft auch den Bereich des Lyrischen für immer. Als Ausnahme fiel ihm sofort Valéry ein, der, gleich alt wie er, vor kurzem die umfangreiche Gedichtsammlung
Charmes
veröffentlicht hatte.

AUF DEM Rückweg von der Fürstenquelle näherte er sich dem Autoabstellplatz am Ortseingang, wo er unlängst die dort geparkten Automobile besichtigt hatte. Ein
Maybach
, wie Carl einen besaß, war nicht dabei. H. fuhr gerne im Automobil, ließ sich – wie auch seine Frau – gerne chauffieren, jedoch auf der Fahrt von Lenzerheide ins Bergell hatte er sich manchmal gefürchtet vor den Schluchten, den Abgründen, so knapp an den Rändern der kurvigen Straßen; auch war ihm von den vielen Kurven mehrmals schlecht geworden, sie hatten pausieren müssen. Ein Wagen mit Chauffeur, dachte er, da müßten meine finanziellen Verhältnisse sich noch sehr bessern. Das Honorar für die Uraufführung der
Alkestis
im März war zum größten Teil für die Italienreise draufgegangen. Große Hoffnungen hatte er auf die Verfilmung des
Rosenkavaliers
gesetzt, aber die Verhandlungen liefen zäh. Dabei war ihm völlig klar, daß eine Übersetzung des Librettos ins amerikanische Englisch unmöglich war, daß am Ende etwas völlig anderes herauskommen mußte und er, im Kino sitzend, vor Entsetzen zu weinen anfangen würde.
    Er hatte zuerst den Doktor Krakauer gar nicht erkannt, als dieser, mit Lederhaube und hochgeschobener Autobrille, in der Hand eine Reisetasche, ihm zugewinkt hatte. Im Automobil mit dem zurückgeklappten Verdeck saß eine Dame, vermummt, ebenfalls mit Brille. Krakauer erhob sich, stieg aus, knöpfte den braunen Ledermantel auf. Sie müssten wieder hinunter, der Frau Baronin ein paar Sachen bringen. Sie wären den ganzen Vormittag im Krankenhaus gewesen.
    »Ach so, Sie wissen vielleicht noch gar nicht – die Baronin wurde von zwei einheimischen Burschen gestern mittag im Wald aufgefunden, sie hat eine Nacht im Freien verbracht. Nun geht es ihr schon wieder besser, körperlich … Eine furchtbare Geschichte, wir haben sie gestern überall in der Umgebung gesucht.
    Und vorhin hätte es am Ortsrand von Zell am See beinah einen bösen Unfall gegeben. Hätte ich nicht so blitzschnell reagiert, hätte uns ein
Mercedes
vor der Kirche noch viel wuchtiger gerammt. Das Kotblech vorne rechts eingedrückt, der Reifen Gott sei Dank nicht beschädigt …«
    Um weiterfahren zu können, hätten er und der Chauffeur des
Mercedes
mit vereinten Kräften das dicke Kotblech ausbeulen müssen.
    Krakauer nahm die Haube ab, strich sich die Haare zurecht. Er würde sich freuen, wenn sie wieder einmal zum Reden kämen. Zum Lesen habe er seit Tagen keine Zeit gefunden. Dabei würde er sich gerne ausführlicher mit dem
Zurückgekehrten
beschäftigen. In Salzburg habe er in der Buchhandlung am Residenzplatz einen Prosaband mit dem vollständigen Text bekommen. Den Band aus der Werkausgabe werde er H. demnächst zurückgeben.
    Er blickte sich um.
    »Wie soll ich es sagen? Es ist absurd, aber die Frau Baronin ist eifersüchtig auf Sie, Herr von Hofmannsthal. Bloß weil ich zweimal für sie nicht gleich erreichbar gewesen bin! Es ist mir so peinlich! Wir sind zwei Tage in Salzburg gewesen – vielleicht habe ich es schon erwähnt: Die Frau Baronin ist mit dem Besitzer des Hotel
Stein
weitläufig verwandt. Ein interessanter Mensch, hat ein
Faust
-Büchlein herausgegeben. Also der Blick von der Dachterrasse des Hotels auf die Altstadt ist tatsächlich sehr eindrucksvoll.
    Wir müssen über Ihre
Briefe des Zurückgekehrten
reden … Verzeihen Sie … Ungern möchte ich Ihre Freundlichkeit überbeanspruchen. Ich wiederhole mich, aber es würde mich wirklich sehr freuen.
    Wir sind mit der Standseilbahn auf die Festung hinaufgefahren; mit uns in der Kabine war ein amerikanisches Ehepaar, das heißt, die Frau war Amerikanerin, möglicherweise sehr vermögend – wir haben uns später im Restaurant oben wieder getroffen. Der Mann stammt aus Graz, nicht mehr jung, war seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr in Österreich … Entschuldigen

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