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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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Olivia als Erstes am Morgen den cremefarbenen Umschlag.
    »Für Sie, Madam. Per Boten.«
    »Vielen Dank. Und die« - sie wies auf eine runde Vase mit Duftwicken in zarten Farben -, »wer hat die geschickt?«
    »Die Gärtnerin hat sie gebracht.«
    »Wie schön!« Ihre Finger strichen über die dünnen, papiernen Blütenblätter. Wo hatte sie die um diese Jahreszeit her? Was für einen guten Geschmack sie hatte!
    »Vielen Dank, Gaunt.«
    Gaunt ging.
    Olivia setzte sich und öffnete den Umschlag.
    »Träum mit mir«, stand auf der Karte.
    Sie drehte sie um. Auf der Rückseite war eine Adresse:
    The Royal Opera House, Covent Garden,
heute Abend, acht Uhr
    Lächelnd drückte sie die Karte an die Lippen.
    Irgendjemand in dieser riesigen, geheimnisvollen Stadt wollte sie verführen.
     
    Leticia saß in der Badewanne, als Juan anrief.
    »Hallo?«
    »Er ist wach.«

    Sie stand auf und schnappte sich ein Handtuch. »Ich bin schon unterwegs.«
    Sie hatte es so eilig, dass sie nicht einmal die Karte öffnete, die sie auf der Fußmatte fand, sondern sie auf dem Weg ins Krankenhaus in ihre Manteltasche steckte.
    Als Leticia ins Zimmer kam, saß Leo, von Kissen gestützt, aufrecht im Bett. Juan war da, und sie lachten über irgendetwas. Die Erleichterung stand Juan deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie hielt einen Augenblick inne, bevor sie von den beiden bemerkt wurde, um sie zu beobachten. Zwischen ihnen herrschte eine unmissverständliche Wärme und Ungezwungenheit.
    Dann sah Leo sie und winkte. Sie trat näher und packte die Leckereien aus, die sie aus dem Feinkostladen bei ihr um die Ecke mitgebracht hatte.
    »Da wären wir! Frischer Obstsalat, Sesamhühnchen mit gedünstetem Gemüse und Nudeln und ein großzügiges Stück amerikanischer Schokoladenkuchen. Nichts Graues, Klumpiges oder auch nur andeutungsweise Püriertes.«
    Leo schlug fröhlich die Hände zusammen. »Endlich! Ein Grund zu leben! Den Kuchen zuerst, denke ich.«
    Sie reichte ihn ihm mit einer Plastikgabel an. Er war schwach, doch das alte Glitzern stand wieder in seinen Augen.
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du so gut aussiehst.« Sie lächelte. Es war eine Lüge, er war blass und matt und schrecklich dünn. Doch er war wach und bewegte sich, und das allein zählte.
    »Dem kann ich nur beipflichten!« Juan beugte sich vor und gab Leo einen Kuss auf die Stirn. »Auf zur Arbeit. Ich renne im Augenblick von einem Krankenhaus zum anderen. Bis später.«
    Im Vorbeigehen legte er Leticia die Hand auf die Schulter und drückte sie. »Geht’s Ihnen gut?«

    Er war so aufmerksam, sie bereute es von Herzen, dass sie ihn lange Zeit verächtlich nur als brasilianischen Lustknaben abgetan hatte.
    »Mir geht’s gut.« Sie nickte. »Nur ein bisschen Kopfschmerzen.«
    »Okay.« Er wirkte nicht recht überzeugt. »Aber passen Sie gut auf sich auf, in Ordnung?«
    Er verließ das Zimmer.
    Leticia wandte sich wieder Leo zu, der sich langsam aber stetig durch den Schokoladenkuchen arbeitete. Sie war so erleichtert, dass er im Bett saß, lebendig und außer Gefahr, dass sie am liebsten geweint hätte. Und gleichzeitig hätte sie ihn schlagen können.
    »Ich liebe dich.«
    Er lächelte. »Ich liebe dich auch.«
    »Ich habe dich vermisst.«
    »Ich lag im Koma, aber ich habe dich bestimmt auch vermisst.«
    Sie kam direkt auf den Punkt.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du so krank bist?«
    »Ich wollte dir keine Angst machen«, erwiderte er sachlich.
    »Das klingt, als wäre ich ein Kind, jemand, den man vor den harten Tatsachen des Lebens beschützen muss. Ich hätte dir helfen, mich um dich kümmern können.«
    Er sah sie an. »Du kannst dich doch nicht mal um dich selbst kümmern.«
    »Ja, aber …«
    »Liebes« - er legte seine Gabel ab -, »dich der Wirklichkeit zu stellen ist dir in letzter Zeit nicht besonders gut gelungen.«
    Das waren ungewohnt unverblümte Worte, die Leo gar nicht ähnlich sahen. »Was meinst du damit?«

    »Ich habe dir in den letzten fünf Jahren dabei zugesehen, wie du dir dieses Leben aufgebaut hast, diese Rolle, dein wunderbares Geschäft, auf das ich stolz bin …« Er unterbrach sich, um nach Worten zu suchen. »Ich weiß, dass das aus meinem Mund seltsam klingen muss, und es soll auch keine Kritik sein, aber ich konnte nur vermuten, wie groß dein Schmerz war, dass du dir so eine Phantasie-Existenz aufbaust.«
    Es war, als hätte man ihr einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf

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