Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
Vom Netzwerk:
saubere Jeans. Seine langen dunklen Haare wirkten nicht so ungebärdig wie sonst, sondern lockten sich sanft um sein Gesicht, rahmten seine Augen ein. Dann sah er sie, und seine Züge verhärteten sich. »Wo waren Sie?« Er trat die Stufen herunter in den
leichten Regen und blieb in dem blassen Lichtkreis der Straßenlaterne vor dem Haus stehen.
    Sie blieb ebenfalls stehen. »Sie sind gekommen.«
    »Ja. Wo waren Sie?«
    Er war wütend.
    Er hatte gewartet.
    »Gütiger Himmel, wie sehen Sie aus! Was haben Sie gemacht?« Er fasste sie am Arm. »Sie sind ja nass bis auf die Knochen!«
    Sie entzog ihm ihren Arm. »Sie brüllen mich an!«
    »Ja, ich brülle Sie an!« Seine Augen blitzten. »Ich bin hier, stehe wie ein Idiot eine ganze Stunde hier herum und drücke auf Ihre verdammte Klingel! Ich wusste nicht, was mit Ihnen passiert ist! Sie hätten genausogut ohnmächtig da oben liegen können!«
    »Na und?«
    »Oh, um Himmels willen!« Er schüttelte den Kopf. »Hier.« Er hielt ihr die blaue Plastiktüte hin.
    »Was ist das?«
    »Abendessen. Kalter Fisch und Fritten.«
    Er ging davon und holte im Gehen seinen Schlüssel heraus.
    Sie drehte sich um. »Wohin gehen Sie?«
    »Nach Hause. Es geht Ihnen offensichtlich gut, Sie können sich offensichtlich allein um sich kümmern. Ich denke« - er schloss die Tür seines Lieferwagens auf -, »dass meine Dienste hier nicht mehr gebraucht werden.«
    »Dann bin ich also repariert, was?«, spuckte sie ihm entgegen und war überrascht über ihre eigene Bitterkeit.
    »Repariert?« Er schlug die Tür so fest zu, dass der Lieferwagen bebte. »Lady, Sie sind so kaputt, dass ich gar nicht weiß, wo ich mit dem Reparieren anfangen sollte!«
    »Wie können Sie es wagen!« Sie warf die blaue Plastiktüte
nach ihm, doch er wich ihr aus, und die Tüte fiel auf den nassen Boden, platzte auf und verstreute ihren Inhalt auf dem Pflaster. »Wer, zum Teufel, sind Sie, dass Sie es wagen, mir zu sagen, ich wäre kaputt? Ich bin doch kein kaputtes Rohr, an dem Sie herumpfuschen können! Warum leben Sie nicht Ihr eigenes Leben, statt zu versuchen, sich in mein Leben zu drängen!«
    »Sind Sie verrückt? Glauben Sie wirklich, ich wollte irgendetwas mit Ihrem Leben zu tun haben?«
    »Ich habe wenigstens eins! Ich muss nicht darauf warten, dass das Leben von jemand anderem in Stücke bricht, damit ich eine Aufgabe habe!«
    Er packte sie am Arm. »Sie verwöhnte Zicke!«
    »Sie tun mir weh!« Sie drehte sich weg, doch er hielt sie fest.
    Er zog sie an sich, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem ihren entfernt war. »Ich habe Ihnen nur geholfen, weil sonst niemand da war!«
    »Ich weiß. Lassen Sie mich los.«
    Er ließ sie nicht los, sondern zog sie weiter an sich. »Ich wollte Ihnen helfen. Verstehen Sie das? Ich wollte es!« Der Blick seiner wilden, blassgrünen Augen war von einer Intensität, die sie nicht deuten konnte, die sie noch nie gesehen hatte.
    Wie betäubt schüttelte sie den Kopf, und ihre Wut verflog. »Nein.« Sie ließ den Kopf sinken, bis er an seiner Schulter ruhte. Es roch nach Leder, Regen, der Wärme seiner Haut. »Ich verstehe gar nichts.«
     
    Leticia lag auf ihrem Bett und starrte auf die Rosette an der Decke, auf das langsame Schwinden des Lichts, als die Nacht hereinbrach.
    Sam saß auf den Boden neben ihr.

    So waren sie schon eine ganze Weile.
    »Sie müssen nicht bleiben.«
    »Ich weiß.«
    Weitere Minuten verstrichen, im Zimmer wurde es immer dunkler.
    »Wohin bist du gegangen?«
    Sie blinzelte, die Stuckrosette an der Decke verschwamm, löste sich auf.
    »An den Fluss.«
    Tränen liefen ihr übers Gesicht, rollten ihr kalt und nass in die Ohren. »Ich war mal verlobt.« Sie wandte das Gesicht ab. »Aber er war krank.«
    »Er ist gestorben«, folgerte er leise.
    Ein silbriger Schatten fiel auf den Fußboden; der Umriss des Baums vor dem Fenster.
    »Er hat sich umgebracht.«
    »Gütiger Himmel.«
    Die Nacht war da. Der Raum war in kaltes, blaues Mondlicht getaucht.
    »Ich hasse die Liebe«, flüsterte sie. »Ich wünschte, ich hätte sie nie kennengelernt. Ich wünschte, es gäbe sie nicht.«
     
    Das Gewitter draußen war vorbei, die Straßen lagen verlassen da, Pfützen funkelten im Mondlicht.
    Niemand bemerkte das Klappern, mit dem unten etwas durch den Briefschlitz geworfen wurde.
    Niemand hörte das verräterische Quietschen eines rostigen Fahrrads, als eine schattenhafte Gestalt unsicher über den leeren Platz radelte.

Zu Höherem berufen
    Gaunt brachte

Weitere Kostenlose Bücher