Der Flirt
Hand hin.
»Ja.« Hughie stand auf und gab ihm die Hand. Was für eine seltsame Gesprächseröffnung.
»Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Valentine Charles. Was halten Sie davon, am Shepherd’s Market etwas trinken zu gehen?«
»Gerne.« Hughie lächelte.
Ein Job, bei dem einen der Chef am ersten Tag auf einen Drink einlud, konnte so schlecht nicht sein.
Sie überquerten die Straße, und Valentine führte ihn eine schmale Allee hinauf. Oben öffnete sich Shepherd’s Market auf einen winzigen Platz, und in einer Ecke war ein Pub
namens Adam & Eve. Auf dem Wirtshausschild war ein Bild eines Mannes und einer Frau, die ein Apfel trennte. Sie gingen hinein, und nachdem Hughies Augen sich an das diesige Zwielicht in der halb leeren Bar gewöhnt hatten, entdeckte er ein vertrautes Gesicht. Sie saß an einem Ecktisch und trank ein Glas Weißwein.
» Sie sind das!« Hughie war überrascht, wie sehr er sich freute, sie zu sehen.
Sie lächelte.
»Erlauben Sie mir, Ihnen meine Assistentin, Mrs. Flickering, vorzustellen. Abgekürzt Flick.«
Sie wies auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich, Hughie.«
»Was möchten Sie trinken?«, fragte Valentine.
»Oh, ich weiß nicht …« Das war bestimmt ein Test, die richtige Antwort war sicher irgendetwas Alkoholfreies.
»Ich nehme einen Scotch, aber das ist wahrscheinlich ein bisschen altmodisch für Sie. Ein Pint?«
Hughie entspannte sich. »Ja, bitte.«
Valentine ging zur Bar. Sie waren allein.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie je wiedersehen würde«, sagte er leise.
Flick fuhr mit den Fingern am Rand ihres Glases entlang. »Und doch, hier sind wir. Das Leben ist schon eine lustige Angelegenheit, was?«
»Allerdings.« Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, unsicher, wie er fortfahren sollte. »Neulich im Park … was da passiert ist …«
»Keine Sorge«, unterbrach sie ihn, »ich nehme es nicht persönlich. Das gehört alles zum Vorstellungsgespräch, Hughie. Ich habe das schon viele Male durchexerziert.«
»Verstehe.« Er wirkte ein wenig geknickt.
»Warum so ernst?« Sie lachte. »Sie sind doch sicher erleichtert!«
Er stieß einen Seufzer aus. »Aber wie oft trifft man einen Fremden, mit dem man wirklich reden kann?« Sein direkter Blick war nervtötend. »Mit dem man sich wirklich unterhalten möchte?«
»Nun, ja, aber die Sache ist die …« Er hatte wirklich den Dreh raus, augenblicklich Intimität herzustellen und sie mit seiner Ungekünsteltheit aus dem Konzept zu bringen. So etwas war ihr noch nie passiert.
Valentine kam mit den Getränken vom Tresen zurück und setzte sich.
»Cheers, Mr. Venables-Smythe!« Sie hoben die Gläser. »Gratuliere zu Ihrer Anstellung!«
»Danke!« Hughie strahlte.
Sie strahlten zurück.
»So«, wagte er sich vor, »und worin genau besteht meine Aufgabe?«
Valentine betrachtete ihn eingehend. »Ihnen ist gerade die größte Ehre Ihres Lebens zuteil geworden. Sie sind auserwählt worden, und zwar handverlesen, um einem der ältesten und geheimsten Gewerbe der Welt beizutreten.«
Hughie wurde unsicher. »Aber doch nicht … dem ältesten Gewerbe?«
»Weit gefehlt!« fuhr Valentine beleidigt auf. »Wir sind professionelle Masseure des weiblichen Egos. Wir sind aufmerksam, schmeicheln, kümmern uns um die heikle Angelegenheit romantischer Sehnsüchte, die trotz Wissenschaft und Technik und sexueller Revolutionen verschiedenster Couleur immer noch in der menschlichen Seele lauern, ja, schmachten.«
»Kurz gesagt«, unterbrach Flick ihn, »wir flirten.«
»Und wir sind Meister unseres Metiers«, fügte Valentine stolz hinzu.
»Sie meinen, wir reißen Frauen auf?«
»Regel Nummer eins«, erklärte Flick ihm, »Sie reißen absolut niemals Frauen auf.«
»Unter gar keinen Umständen. Wir flirten, Hughie, wir geben Frauen das gute Gefühl, lebendig zu sein. Wir bemerken sie. Lächeln. Reden ein wenig. Schenken ihnen etwas Aufmerksamkeit.«
»Und dann gehen wir wieder«, fügte Flick hinzu. »Regel Nummer zwei: Wisse immer, wo der Ausgang ist.«
Es wurde besser. Er würde doch kein Callboy werden.
Trotzdem war ihm sein neuer Beruf noch nicht ganz klar.
Valentine spürte seine Ratlosigkeit. »Lassen Sie mich ganz am Anfang anfangen. Stellen Sie sich vor« - er machte eine kühne, theatralische Geste mit den Händen -, »eines Tages wartet eine einsame, niedergeschlagene Frau auf die U-Bahn oder steht in einem Laden in der Schlange, da wird ihr plötzlich bewusst, dass ein gut gekleideter, gut aussehender
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