Der Fluch der Halblinge
benötigst.«
Verblüfft starrte der Mann ohne Herz darauf. »Die Elben würden dafür töten«, sagte er. »Nach diesem Geheimnis suchen sie schon ewig.«
»Töten für die Essenz des Friedens? Das ist gut.«
»Der Preis des Friedens ist Krieg. War das schon jemals anders?« Peredur steckte die Phiole ein. »Ich werde mit Asgell darüber sprechen. Damit ist ihre Schuld beglichen.« Er warf Fionn einen Blick zu. »Du siehst also, Fionn, das Geheimnis deines Volkes hängt unmittelbar mit dem Ende des Krieges zusammen. Und dort liegt auch meine Vergangenheit verborgen.«
Fionn sah zu ihm hoch. Wie sollte er diesem Mann nicht verzeihen können? Was spielte es schon für eine Rolle, dass er ihm so vieles verschwiegen hatte; es änderte nichts an der schrecklichen Tragödie, die er durchgemacht hatte. Und jetzt konnte Fionn verstehen, weshalb Peredur nicht mehr darüber reden wollte. »Es tut mir leid. Du hast Entsetzliches durchgemacht und sprichwörtlich alles verloren. Ich wünschte, ich könnte … ich könnte etwas für dich tun.«
»Das tust du bereits«, antwortete der ehemalige Hochkönig ruhig. »Tatsächlich fühle ich mich viel besser, wenn du in meiner Nähe bist. Beinahe wieder wie ein Mensch.«
Fionn war gerührt. Und wurde dadurch noch trauriger. »Denkst du, es besteht jemals die Chance, dass du dein Herz wiederbekommst?«
»Ich muss nur Schwarzauge gegenüberstehen, dann wird sich das mit meinem Fluch regeln.«
»Aber was wird geschehen, wenn es soweit ist und du dein Herz zurückerhältst?«
»Ich nehme an, ich werde innerhalb weniger Augenblicke zu Staub zerfallen«, sagte Peredur trocken. »Vergiss nicht, ich habe weit über meine Zeit hinaus gelebt. Wenn der Fluch nicht mehr wirkt, wird die Sterblichkeit mich einholen. Asgell wird es dann nicht anders ergehen.«
Fionn war betroffen. »Dann weiß ich nicht, was ich dir wünschen soll, mein Freund. Erlösung zu finden, oder … so weiterzuleben.«
Peredur klopfte leicht auf seine Schulter. »Lass uns essen und dann aufbrechen.«
Gleich nach dem Mittagsmahl wollten die Gefährten sich auf den Weg machen, sie hatten bereits alle Sachen beisammen.
Peredur hatte seine gereinigte und geflickte Kleidung wieder angezogen; er war an sie gewöhnt. Allerdings passten sie nicht mehr recht zu seinem frisch gekürzten Bart und den ordentlich gepflegten Haaren. So sah er seinem Bruder noch ähnlicher, und Fionn dachte bei sich, dass Hafren schon gewusst hatte, warum sie sich in diesen außergewöhnlichen Mann verliebt hatte. Er war eine eindrucksvolle Erscheinung, und in jungen Jahren musste er eine anziehende männliche Schönheit besessen haben.
»Nanana, du wirst doch nicht in Lumpen in deinem eigenen Palast einreiten?«, mahnte Asgell augenzwinkernd und gab einem Bogin ein Zeichen. Kurz darauf kamen mehrere Halblinge, die kostbare Gewänder und einen Lederharnisch über den Armen trugen.
»Ich habe das all die Jahre über bewahrt und dafür gesorgt, dass es nicht zerfällt. Einschließlich Vaters Umhang«, erklärte der Zauberer lächelnd. »Zieh es an! Es sollte dir noch passen.«
Peredur zögerte, dann verschwand er mit den Sachen. Als er zurückkehrte, verneigten sich spontan alle, einschließlich des Zauberers.
Fionn war überwältigt, wie königlich sein Freund aussah. Kein Wanderkrieger stand mehr vor ihm – Tuagh war fort. Mit dem Anlegen des königlichen Gewandes hatte sich seine Erscheinung endgültig gewandelt. Vor ihm stand ein edler Mann, der wahre Hochkönig Albalons. Aus seinen bernsteinfarbenen Augen strahlte eine ungeheure Willenskraft, die Furchen der Gram waren aus seinem Antlitz verschwunden. Er sah schlagartig um viele Jahre jünger aus; kaum älter als Asgell. Der lange, an den Schultern mit Pelz besetzte Umhang ließ seine Größe noch stattlicher und wuchtiger erscheinen.
Seine behandschuhte Linke ruhte auf dem Griff seines mächtigen Schwertes – und auch auf die Axt hatte er nicht verzichtet.
»Ihr habt es so gewollt«, sagte er nicht ohne Ironie in der Stimme. »Aber jetzt werde ich mich wieder umziehen, damit ich die Sachen nicht gleich ruiniere. Und dann lasst uns endlich aufbrechen.«
KAPITEL 20
DAS BUCH
Die Brüder umarmten sich herzlich zum Abschied, und Fionn wurde von den Bogins umringt, berührt, gesegnet und umarmt.
»Befreie unser Volk!«, riefen sie. »Vernichte den Fluch.«
Asgell begleitete sie nach draußen bis zu den Lilien, so weit durfte er gehen. Sie verströmten einen zarten, frischen Duft.
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