Der Fluch der Hebamme
haben – Guido ist ihm erneut in die Falle gelaufen. Nun sitzen Guidos Männer dort seit einem Jahr, starren auf die Mauern, gegen die selbst die größten Belagerungsgeräte kaum etwas ausrichten können, und sind ihrerseits von Saladins Truppen umzingelt. Ludwig von Thüringen hat vermittelt und Konrad dazu gebracht, den Männern zu Hilfe zu kommen – natürlich nur unter der Bedingung, dass er Guido nicht als König huldigen muss. Deshalb werden wir von hier aus nach Akkon ziehen. Bevor wir diese Stadt nicht einnehmen, haben wir keine Möglichkeit, Jerusalem zurückzuerobern.«
Was können wir paar Mann dort noch ausrichten?, dachte Thomas. Unser einst großes, gefürchtetes Heer schwindet von Tag zu Tag, und jetzt sind wir kaum noch ein paar tausend Kämpfer.
Dietrich schien seine Gedanken zu erraten. »Verstärkung ist unterwegs: Leopold von Österreich und der englische und der französische König kommen mit ihren Rittern von Seeseite aus. Vielleicht lässt sich so dieses hoffnungslose Vorhaben noch retten.«
Während Dietrichs letzter Worte hatte die Geleitmannschaft Konrads von Montferrat den Hof erreicht.
Der Markgraf stieg aus dem Sattel, ging auf Friedrich von Schwaben zu und umarmte ihn. »Dann ist es also wahr. Nehmt mein Beileid entgegen. Die Welt hat einen großen Herrscher verloren.«
Während Friedrich antwortete, betrachtete Thomas den Mann, der Saladin in einer Seeschlacht geschlagen hatte und ihm nun als Einziger noch erfolgreich Widerstand leistete. Konrad von Montferrat war sehr groß, dunkelhaarig, etwa Mitte vierzig und strahlte eine enorme Härte und Entschlossenheit aus. Die brauchte er wohl auch, wenn er so viele Gegner selbst im eigenen Lager hatte, allen voran den gestürzten König Guido von Lusignan.
»In dieser Stunde erleben wir, wie nun der Krieg unter den Christen des Abendlandes ins Heilige Land getragen wird – wie ich es vorausgesagt habe«, erklärte Graf Dietrich bitter. »Da der Markgraf von Montferrat als Anhänger der Staufer gilt und nun auch noch so offen Friedrich von Schwaben willkommen heißt, formieren sich die alten Lager in neuer Schärfe. Die Montferrats und Ibelins gegen die Lusignans und Courtenays. Als hätten die Barone von Outremer keine wichtigeren Sorgen, als sich untereinander zu bekriegen. Etliche gute Männer, wie Raimund von Tripolis und Balduin von Ibelin, haben sich nach der vernichtenden Niederlage von Hattin zurückgezogen. Bohemund von Antiochia wahrt Neutralität. Was bleibt ihm auch anderes, da er im Norden Saladins syrische Truppen und im Süden seine ägyptischen weiß. Im Übrigen wird gemunkelt, dass seine Frau heimlich für Saladin spioniert. Weil der englische König Richard zu den Welfen hält, steht er selbstverständlich auf der Seite Guidos. Und wir dürfen den französischen König Philipp zu unseren Verbündeten zählen, der damit seinen englischen Widersacher ärgern möchte.«
Dietrichs Tonfall war immer sarkastischer geworden. »Es sollte mich nicht wundern, wenn bald Gerüchte gestreut würden, wir hätten uns mit Saladin verbündet, um Montferrat in Verruf zu bringen.«
»
Wir
mit
Saladin
?«, protestierte Roland ungläubig. »Wir sind zweitausend Meilen geritten, um gegen Saladin zu kämpfen, um den Leuten hier zu Hilfe zu kommen, die von Feinden bedrängt und umzingelt sind!«
»Das interessiert die wenigsten von ihnen. Statt einig gegen den Feind zu stehen, streiten die Barone, wer König wird: Guido oder Konrad. Es würde Konrads Aussichten auf die Krone verbessern, wenn er Sibylles Schwester Isabella ehelicht. Aber vorerst zerreißen sich alle höchst eifrig die Mäuler darüber, ob er das darf, denn noch sind beide anderweitig verheiratet …«
Dietrich strich sich die dunklen Haare zurück und sagte: »Genug davon. Es wird heute Abend ein Festmahl Fürst Konrads für uns geben. Ich möchte Euch beide dabeihaben. Es heißt, er bringt auch Nachricht aus dem Kaiserreich.«
Der Markgraf von Montferrat und Herrscher von Tyros besaß eine raumfüllende Ausstrahlung, das ließ sich schon auf den ersten Augenblick sagen. An seiner Art zu sprechen hörte man noch heraus, dass seine Mutter eine Babenbergerin war, auch wenn er manchmal nach Worten suchen musste, während Bohemund von Antiochia der Dienerschaft ausschließlich in einer fremden Sprache Anweisungen erteilte.
Nach einem Gebet für den verstorbenen Friedrich von Staufen berichtete Konrad, dass sich Saladin über jeden Marschabschnitt des
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