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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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helfen. Dann belud Lukas sein Packpferd mit allem, was Peter von seinem und Marthes Besitz gerettet hatte, und nahm Marthe auf seinem ungestümen Fuchshengst vor sich in den Sattel. Sie würden jetzt einige Zeit unterwegs sein, verborgen, nachts und immer bereit zur Flucht. Aber da er und Marthe nun endlich wieder vereint waren, war er voller Zuversicht.
    Sie mussten Abschied nehmen von ihren Freunden und Vertrauten, von Freiberg und der Mark Meißen. Aber es würde kein Abschied auf ewig sein.

In Antiochia
    I n deutlich verminderter Stärke zog das staufische Heer nach den Trauertagen für den toten Kaiser weiter. Zu Hunderten waren Männer fortgegangen, um nach Hause zurückzukehren. Manche ganz offen, andere verstohlen und voller Scham. Friedrich von Schwaben und Gottfried von Würzburg beschworen sie vergeblich, ihr Kreuzfahrergelübde zu halten.
    Die blieben, taten dies voller Zorn, Trauer, Abscheu und Verzweiflung. Ihr Ziel war nun das Fürstentum Antiochia, einer der Kreuzfahrerstaaten.
    Obwohl Thomas immer noch sehr krank war, begann er erst hier langsam zu begreifen, wie fremd und doch anmutig die Lebensweise
     der Menschen in diesem Teil der Welt war.
    Die überwältigende Pracht der Hagia Sophia verdeckte seine sonstigen Erinnerungen an Konstantinopel; von der Sultansstadt Ikonium hatte er nach dem Schlachtenwahn und im Fieberrausch kaum mehr gesehen als die Wände seines Krankenquartiers.
    Erst in Antiochia verstand er Tag für Tag ein bisschen mehr von der Schönheit dieser Welt, und sein Staunen nahm kein Ende. Hier lebte er nicht in einer kalten, verräucherten Burg, in Felle gehüllt und frierend. Alles war licht und hell, sogar sein Krankenzimmer.
    Graf Dietrich hatte dafür gesorgt, dass Christians Sohn die beste Pflege bekam.
    »Er ist einer meiner besten Ritter, und genau wie sein Vater kämpfte er mit der Linken ebenso gut wie mit der Rechten«, hatte er Bohemund von Antiochia berichtet, dem Fürsten des Kreuzfahrerstaates, der den Rest des deutschen Heerzuges bei sich aufgenommen hatte. »Ich weiß, Ihr habt sehr gute Ärzte. Sie sollen aus ihm wieder einen gefürchteten Kämpfer machen.«
    Der herbeigerufene Heiler hatte nach einem Blick auf die Verletzung eine bedenkliche Miene gezogen, sich tief verbeugt und ein paar Diener herbeigerufen, die Thomas in eines der Krankenzimmer im oberen Stock des Palastes brachten, während der größte Teil des Heeres zwischen dem Herzogstor und dem Fluss Orontes lagerte.
    Der Krankensaal war durchflutet von Licht und Luft, ohne dass die Sommerhitze lästig wurde. Thomas lag auf Laken aus glattem weißen Stoff, man hatte ihn in ein Bad geführt, rasiert und in ein leichtes Gewand gekleidet, das am Halsausschnitt und an den Ärmelkanten mit einem kunstfertig gewebten blauen Muster abgesetzt war.
    Vor den großen Fenstern bauschten sich leichte Vorhänge im Wind, die den Sonneneinfall milderten, statt Türen gab es filigran gearbeitete hölzerne Gitter, deren Muster das Zimmer mit einem zarten Spiel von Licht und Schatten verzierten. Die Wände waren mit glänzenden farbigen Steinen geschmückt, die verschlungene Ornamente bildeten. Immer neue Muster aus Bogen und Linien zogen sich an den Wänden und Decken entlang, so dass er sich gar nicht daran sattsehen konnte.
    Gegen die hauchdünnen, sich an den Körper schmiegenden Stoffe wirkte selbst das aus feinster Wolle gefertigte Prachtgewand eines reichen meißnischen oder thüringischen Grafen derb.
    Alles war hier feiner: die Stoffe, die Muster, die bildhaften Redewendungen, vor allem die Methoden der Heiler, die nicht einfach Gliedmaße mit der Axt abschlugen, sondern über unzählige und zum Teil recht rätselhafte Instrumente verfügten und damit Wunder zu bewirken schienen.
    Nun erstaunte es Thomas auch nicht zu erfahren, dass die Christen, die sich in den letzten hundert Jahren hier niedergelassen hatten, sehr schnell viele Angewohnheiten der Einheimischen übernahmen. An der Kleidung konnte man die einen von den anderen kaum mehr unterscheiden, höchstens an den Waffen.
    Aber das Fürstentum Antiochia bewahrte Neutralität im Krieg zwischen Saladin und den Franken.
    Umso deutlicher fielen auf den Straßen die Neuankömmlinge aus dem arg geprüften Heer des toten römischen Kaisers auf.
    »Sie verstehen kein Wort von dem, was die Leute hier sagen, sie sehen aus wie lebende Leichen, und sie benehmen sich wie Abschaum: raufen, plündern und verhalten sich störrisch wie die Esel, wenn jemand sie auf die

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