Der Fluch der Maorifrau
aber ich bin genauso wenig Deutsche wie die McLeans Schotten sind. Wir sind Neuseeländer! Allesamt!, dachte sie erbost.
»Entschuldigt, mir ist nicht gut. Ich möchte mich hinlegen«, erklärte sie mit fester Stimme.
»Andere Umstände werden es wohl kaum sein«, zischte Paul McLean.
»Vater, ich darf dich von Herzen bitten, lass meine Frau in Frieden. Du weißt, dass mich deine und Janes Boshaftigkeiten sehr befremden.«
»Kate kann jederzeit zu uns kommen«, schlug Nora vor. Peter nickte zustimmend.
»Danke, Nora! Und von euch anderen verlange ich, dass ihr sie in Ruhe lasst mit euren Gehässigkeiten. Verstanden? Ich möchte mich jetzt von euch verabschieden. Ich begleite Kate.«
Nora sprang auf und umarmte ihren Bruder schluchzend.
Selbst sein Vater erhob sich und klopfte ihm auf die Schulter. »Komm gesund zurück, mein Junge!«
Jane und ihr Mann sahen sich nun ebenfalls bemüßigt, aufzustehen und Bill auf Wiedersehen zu sagen. Sie taten es distanziert mit einem Handschlag.
Als Kate und Bill auf ihr Bett fielen, seufzte er erleichtert: »Das war eine gute Idee von dir, das Unwohlsein. Lange hätte ich es mit ihnen nicht mehr ausgehalten.«
»Das war gar nicht mal gelogen, denn ob du es glaubst oder nicht, ich warte schon über zwei Wochen auf meine Monatsbeschwerden. Es könnte also durchaus sein, dass ...«
Bill ließ sie gar nicht erst ausreden, sondern sprang auf, riss Kate ungestüm vom Bett, hob sie empor und wirbelte sie herum.
»Bill, Erbarmen, mir wird schwindlig!«
»Ach, Kate, das ist das schönste Abschiedsgeschenk, das du mir machen konntest. Ich werde Vater! Ich kann es noch gar nicht fassen.«
»Lass mich runter!«, bettelte sie lachend.
Bill stellte sie wieder sanft auf die Füße und wurde plötzlich ganz ernst. »Ich muss noch einmal zu Vater hinunter. Es gibt etwas Dringendes zu klären!«, sagte er nachdenklich.
Kate schaute ihn fragend an.
Er runzelte die Stirn. »Es ist wegen des Geldes«, erklärte er zögernd. »Tatsächlich habe ich alle Freiheiten und kann über sein Vermögen verfügen, wie es mir beliebt, aber noch gehört es mir nicht. Verstehst du?«
Kate schwante, um was es ihm ging.
»Wenn mir jetzt etwas passieren würde, dann könntest du mit dem bisschen Geld, das mir allein gehört, höchstens ein Jahr überleben. Und ich habe nicht unbedingt das Vertrauen, dass er danach für euch sorgen würde. Ich werde ihn bitten, sich zu verpflichten, dir im Fall meines -«
Weiter kam er nicht, weil Kate ihm einen Finger auf den Mund legte. »Bill«, sagte sie sanft. »Ich bin abergläubisch. Wenn du jetzt zu ihm gehst und alles regelst, dann habe ich Angst, dass dir wirklich etwas geschieht. Aber ich möchte fest daran glauben, dass du gesund und munter aus der Türkei zurückkehrst. Leg bitte nicht schriftlich nieder, dass dir etwas passieren könnte! Es wird dir nichts geschehen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann. Die Vorstellung, mein Kind und du, ihr müsstet in Armut leben, macht mich ganz krank.«
»Du kommst zu uns zurück. In mir wächst ein kleiner Bill heran, und der braucht dich doch. Aber wenn du etwas tun willst, dann kläre mit deinem Vater, dass er uns niemals Pakeha nehmen kann, komme, was wolle. Niemals!«
»Ich bin gleich wieder da, mein Herz. Ich lasse mir das Versprechen unterschreiben, damit ich in Ruhe fortgehen kann.«
Kate nickte schwach und machte sich grübelnd bettfertig. Hätte er bloß nicht davon angefangen!, ging es ihr unablässig durch den Kopf. Die Angst hatte sich in ihrer Seele festgekrallt wie ein Raubtier, das sich in sein Opfer verbissen hatte. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie unter die Decke schlüpfte. Immer wenn sie die Augen schloss, stiegen Nebelwände voller Totenschädel vor ihrem inneren Auge auf. Es war so Furcht erregend, dass sie laut aufstöhnte.
»Oh Gott, was ist mit dir, Liebste?« Bill stand mit einem Schriftstück in der Hand neben dem Bett.
»Verlass mich nicht, Bill! Bitte verlass mich nicht!«, flehte sie schluchzend.
Ocean Grove, 17. Januar 2008
Sophie und Judith verstanden sich wunderbar. Seit fast zwei Wochen lebten sie nun schon gemeinsam im Haus der Pakeha. Judith' Freund Tom war immer noch wie vom Erdboden verschwunden, und der schwarze Jeep hatte sich nie wieder vor dem Haus gezeigt. Trotzdem wurde Sophie das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Deshalb traute sie sich nicht mehr, einsame Spaziergänge am Strand zu unternehmen. Damit wartete sie lieber, bis
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