Der Fluch der Maorifrau
Leben noch bringt. Vielleicht brauchst du das Haus noch einmal.«
In diesem Augenblick war Kate gerührt, weil er ihren Herzenswunsch erraten hatte. Und noch Jahre später sollte sie sich darüber wundern.
Am Tag ihrer Abreise stand nur die Familie Cramer am Hafen und winkte ihnen nach. Christine weinte und rief laut nach Bill John, der allerdings kein Ohr für ihren Schmerz hatte. Es gab so viel Interessantes an Bord zu entdecken, dass er sogar vergaß, seiner kleinen Freundin noch ein letztes Mal zuzuwinken.
Kate hatte den Cramers den Schlüssel für Pakeha gegeben und ihnen versprochen, dass sie das Haus bekommen sollten, falls sie für immer in Apia blieb.
Es war merkwürdig. Als Dunedin in der Ferne verschwand, wusste Kate, dass sie eines Tages zurückkehren würde.
Mit einem Seitenblick stellte sie fest, dass Steven Bill John auf dem Arm trug, der aufgeregt nach den Möwen zeigte, die das Schiff bis auf das offene Meer hinaus begleiteten. Wer es nicht besser weiß, muss die beiden für Vater und Sohn halten, schoss ihr durch den Kopf.
»Vater ist heute Morgen bei mir im Hotel aufgekreuzt und hat mir viel Geld dafür geboten, damit ich dich und Bill John hier zurücklasse. Ich habe es abgelehnt! Er hat mir zum Abschied gesagt, dass mich der Teufel holen soll!«, raunte Steven Kate ins Ohr. Sie seufzte. Ob sie jemals wiedergutmachen konnte, dass Steven seinem Vater die Stirn geboten und der alte McLean ihn deshalb endgültig verstoßen hatte?
Sie würde zumindest eines versuchen: Walter eine gute Mutter zu sein!
Apia, im Dezember 1918
Kates Rückkehr wurde in Apia stürmisch gefeiert. Alle, die vor vier Jahren traurig am Kai gestanden hatten, weinten wieder, doch dieses Mal vor Freude!
Brenner war kaum wiederzuerkennen. Er war kahl auf dem Kopf, noch dicker als vorher und trug einen ungepflegten Vollbart. Seine überbordende Herzlichkeit hatte er allerdings nicht eingebüßt.
Loana, seine Frau, stürzte sich sofort auf Bill John. »Entzückend!«, rief sie immerzu und wollte Steven das Kind am liebsten aus der Hand reißen, aber der Junge klammerte sich fest an seinen Onkel. Der Lärm und die vielen Menschen verunsicherten ihn.
Kate freute sich riesig auf ihre alte Bleibe. Doch als sie über die Schwelle trat, setzte Ernüchterung ein. Das Haus starrte vor Schmutz.
Es gab viel zu tun. Kein Wunder, dass es so aussieht, dachte Kate, als Steven ihr die Haushälterin vorstellte. Tula war eine bildhübsche, blutjunge Samoanerin. An dem Blick, den die junge Frau Steven zuwarf, erkannte Kate jedoch sofort, dass sie keineswegs seine Bedienstete, sondern seine Gespielin war. Es war nicht die Tatsache, dass er sexuelle Beziehungen mit Einheimischen unterhielt, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, sondern dass Tula noch ein halbes Kind war.
Kate versuchte die Fassung zu wahren und begrüßte das Mädchen freundlich. Sie fragte sich, ob Walter wohl die ganze Zeit über mit Tula allein gewesen war. »Wo ist Walter?«, fragte sie scheinbar beiläufig. »In der Schule«, antwortete Tula.
»Mach uns bitte ein Huhn!«, befahl Steven und forderte Tula mit einer Kopfbewegung auf zu gehen. Stevens Geliebte verschwand wortlos in Richtung Kochhaus. »Wir können sie fortjagen, wenn du willst!«, sagte er zu Kate.
»Um Gottes willen, nein!« Sie wollte das Mädchen doch nicht auf die Straße setzen. »Steven, wie alt ist Tula?«
»Achtzehn!«
»Du lügst.«
»Frag sie doch, wenn du mir nicht glaubst!«
Kate stieß einen tiefen Seufzer aus. Warum misstraue ich ihm nur so? Die Insulanerinnen sehen wirklich oft jünger aus, als sie sind.
Als Walter aus der Schule kam, hatte Kate ihr altes Mädchenzimmer bereits in Besitz genommen und das kleine daneben für Bill John vorbereitet, wo er gerade seinen Mittagsschlaf machte. Sie war ein wenig aufgeregt, als sie unten die Stimme ihres Stiefsohnes hörte. Hoffentlich akzeptiert er mich, dachte sie und eilte ihm entgegen.
»Guten Tag, Walter!«, begrüßte sie den inzwischen Siebenjährigen betont fröhlich, doch der starrte sie nur düster an. Ein großer, blond gelockter und ausgesprochen hübscher Junge, wie Kate zugeben musste. Nur der überhebliche Zug um seinen Mund missfiel ihr. Er erinnerte sie an Steven. »Das Mittagessen ist fertig!« Dann forderte Kate ihn freundlich auf, mit ihr auf die Veranda zu kommen.
Walter jedoch musterte sie abfällig von oben bis unten. »Du hast mir gar nichts zu sagen!«, bellte er, bevor er an ihr vorbei nach
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