Der Fluch der Sphinx
wie der Nubier einen schwarzen Burnus, hatte jedoch die Kapuze über den Kopf gezogen. Unter der Kapuze bemerkte sie einen weißen Turban. »Mein Name ist Mohammed Abdulal.« Er vollführte eine Verbeugung, und Erica errang ihr inneres Gleichgewicht wieder. »Ich muß mich für diese Verzögerung entschuldigen, aber bedauerlicherweise war sie unvermeidlich. Die Statuen, die wir Ihnen zeigenmöchten, sind sehr wertvoll, und wir fürchteten, die Behörden könnten Sie beschatten lassen.«
Erneut wurde Erica deutlich gemacht, wie wichtig es gewesen war, daß sie ihren Aufpasser abgehängt hatte.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte Mohammed, schritt an ihr vorüber und begann, den Rest des Abhangs zu ersteigen.
Erica warf dem Dorf einen letzten Blick zu. Ganz schwach ließ sich noch das Taxi erkennen, das auf der asphaltierten Straße auf sie wartete. Dann beeilte sie sich, um Mohammed einzuholen.
Sobald sie sich unmittelbar unter der steilen, kahlen Felswand befanden, wandte er sich nach links. Als Erica an der Felswand emporzublicken versuchte, wäre sie fast hintenüber gefallen. Gemeinsam legten sie ungefähr dreißig Meter zurück und umrundeten dann einen gewaltigen Felsklotz. Sie hatte Mühe, hinter Mohammed zu bleiben, der ohne Rücksicht schnell ausschritt. Auf der anderen Seite des Felsens gerieten sie auf einen gleichartigen Zugang wie vor dem Grab 37. Auch hier versperrte ein schweres Eisengitter den Eingang, jedoch fehlte die Nummer. Erica stand hinter Mohammed, während er mit einem großen Schlüsselring klirrte. Ihre Kaltblütigkeit war verflogen, aber ihre Angst wollte sie auch nicht zeigen.
Sie hatte sich nicht vorgestellt, daß die Statue an einem so entlegenen Ort lagern würde. Das eiserne Gittertor knarrte in seinen Angeln; anscheinend wurde es selten geöffnet.
»Bitte schön«, sagte Mohammed schlicht und winkte Erica, einzutreten.
Es war ein schmuckloses Grab. Im Innern drehte sie sich um und sah zu, wie Mohammed das Tor wieder abschloß. Das Schloß rastete mit einem lautenKlicken ein. Durch die eisernen Gitterstäbe fiel das bleiche Mondlicht.
Mohammed zündete ein Streichholz an und schob sich an Erica vorüber, ging durch einen schmalen Stollen voraus. Ihr blieb keine andere Wahl, als sich dicht hinter ihm zu halten. Sie bewegten sich innerhalb eines kleinen Lichtkreises. Erica fühlte sich völlig hilflos; sie hatte den Eindruck, daß jede weitere Entwicklung außerhalb ihres Einflusses lag.
Sie kamen in eine Vorkammer. Erica sah verwaschene Umrisse von Wandmalereien. Mohammed bückte sich und hielt sein Streichholz an eine Öllampe. Eine Flamme loderte auf, so daß der Schatten seines Körpers zwischen den Darstellungen alter ägyptischer Gottheiten an den Wänden tanzte.
Ein heller Goldglanz zog Ericas Blick an. Da stand sie, die Sethos-Statue! Das blanke Gold strahlte eine größere Helligkeit aus als die Lampe. Augenblicklich machte Ericas bisherige Besorgnis ehrfürchtiger Bewunderung Platz, und sie trat vor die Statue. Die Augen aus Alabaster und grünem Feldspat schienen eine hypnotische Wirkung auszuüben, und Erica mußte regelrecht mit Gewalt ihren Blick abwenden, um sich mit den Hieroglyphen befassen zu können. Dort waren die Kartuschen von Sethos I. und Tutanchamun. Der Wortlaut war der gleiche wie an der Statue in Houston: »Ewige Ruhe sei gegeben Sethos I. der nach Tutanchamun herrschte.«
»Sie ist großartig«, sagte Erica. »Wieviel wollen Sie dafür?«
»Wir haben noch andere«, entgegnete Mohammed. »Warten Sie mit Ihrer Entscheidung, bis Sie die anderen auch gesehen haben.«
Erica wandte sich ihm zu, in der Absicht, ihm zu versichern, sie sei mit diesem Stück vollauf zufrieden. Aber sie brachte kein Wort heraus. Von neuem war sie aus Furcht wie gelähmt. Mohammed hatte sich die Kapuze in den Nacken geschoben und dadurch seinen Schnurrbart und die zahlreichen Goldkronen seiner Zähne enthüllt. Er war einer der Mörder Abdul Hamdis!
»Wir lagern ein wunderschönes Sortiment von Statuen im Nebenraum«, sagte Mohammed. »Bitte.« Er machte eine halbe Verbeugung und deutete hinüber zu einer schmalen Türöffnung.
Erica fror; ihr war plötzlich der kalte Schweiß ausgebrochen. Das Gittertor des Grabes war abgeschlossen. Sie mußte unbedingt Zeit gewinnen. Sie wandte sich um und näherte sich der Türöffnung; ihr lag keineswegs daran, noch tiefer in das Grab einzudringen, aber Mohammed war schon hinter ihr. »Bitte«, sagte er und schob sie sanft vorwärts.
Ihre
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