Der Fluch der Sphinx
sagte Yvon.
»Haben Sie sie persönlich gesehen, Yvon?«
»Nein. Andernfalls befände sie sich jetzt nicht in Houston. Ein Ölfritze hat sie durch eine Schweizer Bank erworben. Ich habe versucht, ihre Wanderschaft nachzuvollziehen, aber die Banken in der Schweiz sind sehr unzugänglich.«
»Wissen Sie, ob die Statue, die nach Houston geliefert wurde, am Sockel Hieroglyphen aufwies?«
Yvon schüttelte den Kopf, während er sich eine Gauloise anzündete.
»Nicht die leiseste Ahnung. Warum fragen Sie?«
»Weil die Statue, die ich gesehen habe, am Sockel Hieroglyphen hatte«, antwortete Erica mit steigendem Interesse an diesem Thema. »Und besonders hat die Tatsache meine Aufmerksamkeit erregt, daß sie die Namen von zwei Pharaonen trug. Nämlich von Sethos I. und Tutanchamun.«
Yvon inhalierte tief den Rauch seiner Zigarette und betrachtete Erica sichtlich verwundert. Seine schmalen Lippen waren zusammengepreßt, als er den Rauch durch die Nase ausblies.
»Hieroglyphen sind mein Spezialgebiet«, fügte Erica trotzig hinzu.
»Es ist ausgeschlossen«, sagte Yvon rundheraus, »daß sich die Namen Sethos’ I. und Tutanchamuns auf ein und derselben Statue befinden.«
»Es ist zwar merkwürdig«, gab Erica zu, »aber ich bin vollkommen sicher, daß ich richtig gesehen habe. Unglücklicherweise hatte ich keine Zeit, um auch den Rest noch zu übersetzen. Anfangs dachte ich, das Standbild wäre eine Fälschung.«
»Sie war keine Fälschung«, sagte Yvon. »Wegen einer Fälschung hätte man Hamdi nicht umgebracht. Könnte Ihnen nicht ein Fehler bei der Übersetzung des Namens Tutanchamun unterlaufen sein?«
»Niemals«, widersprach Erica. Sie holte einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und schrieb den Krönungsnamen Tutanchamuns auf den Serviettenring ihres Drinks. Sie schob das Papier Yvon hinüber. »Das stand am Sockel der Statue, die ich gesehen habe.«
Yvon betrachtete die Zeichnung nachdenklich und rauchte wortlos weiter. Erica beobachtete ihn.
»Warum hat man den Alten ermordet?« fragte sie schließlich. »Es kommt mir so sinnlos vor. Wenn man die Statue wollte, man hätte sie sich doch einfach nehmen können. Hamdi war schließlich allein im Laden.«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Yvon und hob den Blick von den Schriftzeichen, die Tutanchamuns Namen darstellten. »Vielleicht hängt es irgendwie mit dem Fluch der Pharaonen zusammen.«
Er lächelte. »Vor rund einem Jahr hatte ich einenSchmuggelweg für ägyptische Antiquitäten bis zu einem Mittelsmann in Beirut verfolgt, der die Stücke von ägyptischen Pilgern erhielt, die Mekka aufsuchten. Kaum war ich mit diesem Gentleman in Kontakt getreten, ist er getötet worden. Allmählich frage ich mich, ob das nicht vielleicht an mir liegt.«
»Glauben Sie, daß jener Mann aus gleichartigen Gründen umgebracht worden ist wie Abdul Hamdi?« erkundigte sich Erica.
»Nein. Tatsächlich geriet er in eine Schießerei zwischen Christen und Moslems. Aber immerhin war ich, als ihm das passierte, gerade auf dem Weg zu ihm.«
»Was für eine unsinnige Tragödie«, sagte traurig Erica, in Gedanken wieder bei Abdul.
»Das ist es«, stimmte Yvon zu. »Aber berücksichtigen Sie, daß Hamdi kein harmloser Unbeteiligter war, sondern genau wußte, was auf dem Spiel stand. Das Standbild war von unschätzbarem Wert, und inmitten all dieser Armut hier kann Geld Berge versetzen. Das ist der Hauptgrund, weshalb es ein Fehler wäre, sich an die Behörden zu wenden. Selbst unter den günstigsten Umständen ist es schwierig, jemanden zu finden, dem man trauen kann, und wenn es um solche Summen geht, darf man auch von der Polizei keine Ehrlichkeit verlangen.«
»Ich bin mir nicht darüber im klaren, was ich tun soll«, sagte Erica. »Welche Absichten verfolgen Sie jetzt, Yvon?«
Yvon zog von neuem an seiner Gauloise und ließ seinen Blick durch die geschmacklos eingerichtete Halle schweifen. »Ich hoffe, daß wir Hamdis Schriftwechsel einige Informationen entnehmen können. Das ist nicht viel, aber ein Anfang. Ich muß herausfinden, wer ihn umgebracht hat.« Er wandte sich wieder Erica zu; seine Miene war nun ernster. »Es könnte sich ergeben, daß dieletztendliche Identifizierung des Täters Ihnen zufällt. Wären Sie dazu bereit?«
»Natürlich, wenn ich’s kann«, sagte Erica. »Ich habe die Mörder wirklich nicht besonders gut erkennen können, aber ich bin gerne bereit, Ihnen zu helfen.« Erica dachte über ihre Äußerung nach. Sie hatte so abgedroschen geklungen.
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