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Der Fluch der Sphinx

Titel: Der Fluch der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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der Name des Knabenkönigs Tutanchamun auf die Darstellung eines so mächtigen Pharao wie Sethos’ I. gehauen sein?
    Die beste Übertragung, die sie zustande brachte, lautete folgendermaßen: »Ewige Ruhe (oder ewiger Friede) sei gegeben (oder gewährt) Seiner Majestät, König des Oberen und Unteren Ägypten, Sohn des Amun-Rê, Liebling des Osiris, Pharao Sethos I. der nach (oder hinter oder unter) Tutanchamun herrscht (oder regiert oder obwaltet).« Soweit sie sich entsann, kam das dem ziemlich nahe, was Dr. Lowery am Telefon geäußert hatte. Aber sie war unzufrieden. Das Ergebnis sah zu einfach aus. Sicherlich hatte Sethos I. nach Tutanchamun geherrscht und gelebt, ungefähr fünfzig Jahre später. Aber warum war aus allen vorangegangenen Pharaonen nicht Tuthmosis IV. oder einer der anderen großen Erbauer des Reiches ausgewählt worden? Und auch das vorletzte Interpretationsproblem ließ ihr keine Ruhe. Sie verwarf ›unter‹, weil zwischen Sethos I. und Tutanchamun keinerlei dynastische Verbindungen existiert hatten. Zwischen den beiden Pharaonen ließen sich keinerlei Familienbande nachweisen. Sie besaß vielmehr sogar berechtigten Anlaß zu der Überzeugung, daß bereits vor der Zeit Sethos’ I. der Name Tutanchamuns durch denFeldherrn und Usurpator Pharao Haremheb ausgelöscht worden war; sie hielt auch ›hinter‹ wegen der Bedeutungslosigkeit Tutanchamuns für falsch. Also blieb nur ›nach‹.
    Erica las sich den Satz laut vor. Alles klang viel zu simpel, und genau aus diesem Grund wirkte es so rätselhaft. Erica fand es aufregend, den Gedankengängen eines Hirns nachzuspüren, das vor dreitausend Jahren sich das ausgedacht hatte.
    Sie blickte ins Zimmer und hinüber zu Richards schlafender Gestalt, und deutlicher denn je war sich Erica der Kluft bewußt, die sie voneinander trennte. Richard würde die Faszination, die Ägypten auf sie ausübte, und die Tatsache, daß solche intellektuellen Erlebnisse einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit ausmachten, nie begreifen.
    Sie erhob sich vom Tisch, trug die Lampe und die Fotos wieder hinein. Als das Licht auf Richards Gesicht fiel, auf seine kaum merklich geöffneten Lippen, machte er plötzlich einen sehr jungen, kindlichen Eindruck. Erica erinnerte sich an den Beginn ihrer Beziehung und sehnte sich zu den Zeiten zurück, als ihr Verhältnis zueinander noch einfacher war. Ihr lag wirklich etwas an ihm, aber es fiel ihr schwer, sich mit der Realität abzufinden: Richard würde immer Richard bleiben. Seine medizinische Laufbahn hinderte ihn daran, sich einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, und Erica mußte sich damit abfinden, daß er sich nicht ändern konnte.
    Sie löschte die Lampe und streckte sich neben ihm aus. Er ächzte und drehte sich um, legte eine Hand auf Ericas Brust. Behutsam legte sie sie an seine Seite. Sie wollte ihre Distanz bewahren und nicht von ihm berührt werden. Sie dachte an Yvon, von dem sie das Gefühlhatte, daß er sie als Intellektuelle gleichrangig und zugleich als Frau behandelte. Im Dunkeln sah sie Richard an, und sie begriff, daß sie ihm von dem Franzosen erzählen mußte. Er würde beleidigt sein. Sie starrte empor an die düstere Zimmerdecke, suchte sich seine Eifersucht vorzustellen. Er würde sagen, sie sei nur fortgelaufen, um sich einen Liebhaber anzulachen. Nie würde er ihr leidenschaftliches Engagement begreifen, um die zweite Statue Sethos’ I. im Lande zu behalten. »Du wirst sehen«, flüsterte sie Richard im Dunkeln zu, »ich werde die Statue finden.« Richard stöhnte im Schlaf und wälzte sich auf die andere Seite.

 
3. Tag
     
Kairo, 8 Uhr
     
    Als Erica am folgenden Morgen erwachte, glaubte sie zunächst, sie habe wieder die Dusche laufen lassen; doch da entsann sie sich Richards unerwarteter Ankunft und begriff, daß er das Wasser aufgedreht hatte. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn und drehte den Kopf auf dem Kissen, so daß sie durch die offene Balkontür nach draußen schauen konnte. Der Lärm des unablässigen Verkehrs von unten und das Geräusch der Dusche verschmolzen miteinander und übten eine beruhigende Wirkung auf sie aus, wie das Dröhnen und Rauschen eines fernen Wasserfalls. Erica schloß wieder die Augen, während sie an ihre Überlegungen der vergangenen Nacht zurückdachte. Dann wurde die Dusche unvermittelt abgedreht. Erica regte sich nicht. Richard kam ins Zimmer gepatscht, rieb sich kräftig das aschblonde Haar trocken. Vorsichtig drehte sich Erica ein

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