Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
flüsternd Reue bezeugte, statt nach ihrer Hinrichtung zu schreien, nach ihrer und der ihrer Mitgefangenen.
Einer nach dem anderen mussten sie vor diesen Geistlichen treten, mussten ihre Namen nennen, den Geburtsort, und was sie von Beruf waren.
Erklärungen wurden damit abgetan: »Ihr seid Katharer, ihr wurdet dabei erwischt, wie ihr mit Katharern gemeinsame Sache gemacht habt.«
So sehr sie zitterte, versuchte Adelia Unwillen zu zeigen, als sie an die Reihe kam. »Es ist ein Schande, so behandelt zu werden. Wer seid Ihr? Wo sind wir hier?«
»Ihr befindet euch im Palast des Bischofs von Aveyron.« Der Priester hatte die schmalen, vorstehenden Züge eines Hundes, und sein Ausdruck deutete darauf hin, dass er eigentlich einen Maulkorb tragen müsste.
»Dann sagt Eurem Bischof doch bitte, dass wir unter dem Schutz des Bischofs von Winchester stehen, der mit Prinzessin Joanna in Figères weilt, sowie des englischen Bischofs von St. Albans, den Ihr in Carcassonne finden könnt. Wir stehen im Dienst von Henry Plantagenet und waren mit seiner Tochter unterwegs, bis …«
»Ihr seid Katharer, ihr wurdet dabei erwischt, wie ihr mit Katharern gemeinsame Sache gemacht habt.« Das war sein Mantra.
Mansurs Befragung war die kürzeste von allen. Es war egal, was er im Languedoc machte, Hautfarbe und Kleidung waren die eines, wenn auch anderen, Irrgläubigen. Er konnte gleich mitverbrannt werden.
Als die Befragung beendet war, nahm Vater Gerhardt seine Unterlagen und verließ die Halle. Durch den Speisesaal des Palastes gelangte er in einen Frühstücksraum, auf dessen Tisch Kristall und Gold glitzerten.
An der Decke des Raumes schimmerten von einem Meister gemalte Bibelszenen, und der Morgenmantel des Mannes am Tisch wirkte nicht weniger erlesen. Herbstliche Farben spiegelten die Kunst einer begabten Stickerin.
Der Bischof von Aveyron war ein dicklicher Mann mit schlauen Augen. Er nahm noch eine in Honig getauchte Feige und wischte sich die Finger an der Leinenserviette ab, die ihm im Kragen steckte. »Unser Informant hatte also recht?«
»Bis in die kleinste Einzelheit, Mylord. Ich denke nicht, dass wir ihr Versteck ohne ihn gefunden hätten. Zu unserem Bedauern konnte sie die Männer lange genug aufhalten, um ihrer Tochter die Flucht zu ermöglichen. Ich habe befohlen, sie zu verfolgen.«
Der Bischof machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist uns die Tochter wichtig? Ermengarde ist die, die wir wollten.«
»Und jetzt haben wir sie.«
Einen Moment lang erschauderten diese beiden so unterschiedlichen Männer in einer gemeinsamen Erinnerung: an eine schwarz gekleidete Frau, die sie auf dem großen Platz beide zu Narren gemacht hatte.
Lasst mich in Ruhe, Ihr alten Männer! Gebt Euren Luxus auf oder hört auf zu predigen!
Und das Volk hatte gelacht. Es hatte sie beide ausgelacht. Den Bischof und den Priester.
»Darüber hinaus«, sagte Vater Gerhardt, »haben wir schriftliche Beweise gegen sie. Unsere Männer haben ihre Behausung durchsucht, bevor sie sie niedergebrannt haben, und das Evangelium in der l
angue d’oc
gefunden.«
Der Bischof schüttelte traurig den Kopf: »Gerhardt, Gerhardt, will denn dieses Katharerübel niemals ein Ende nehmen? Was soll aus der armen lateinischen Geistlichkeit werden, wenn die Herde dem heiligen Wort in der eigenen Sprache lauschen kann?« Er streckte die Hand aus, um eines der weichen weißen Brötchen aus dem Korb zu nehmen, der gerade erst vor ihn hingestellt worden war. »Ihr und ich, wir werden um unser Brot betteln müssen.«
Vater Gerhardt zog die Brauen zusammen. Er wusste nie, ob sein Bischof ernst meinte, was er sagte.
»Ein Scherz«, rief der Bischof, als er die Falten auf Gerhardts Stirn sah. Das war das Problem mit den Priestern, die ihren Eifer direkt aus Rom mitbrachten: Sie hatten keinen Funken Humor.
»Ja, Monseigneur. Und die Fremden, die wir zusammen mit Ermengarde gefangen haben? Unser Handel mit dem Informanten war, dass wir dafür sorgen, sie der gleichen Strafe zuzuführen. Aber ich muss Euch sagen …«, Gerhardt redete nur widerwillig weiter, »dass sie auf ihrer Geschichte bestehen, allesamt im Dienst Henry Plantagenets zu stehen.«
»Und
ist
es so? Wer sind sie denn?«
Vater Gerhardt sah auf seine Liste. »Ein Junge, der behauptet ein Pilger zu sein. Das Kreuz, das er dabei hatte, wollte unser Informant haben, wenn Ihr Euch erinnert, und da es ohne jeden Wert ist, haben wir es ihm gelassen. Eine weibliche Bedienstete, die schwanger
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