Der Fluch Des Bierzauberers
Erfindungsreichtum, da sie sich immer neue Foltermethoden ausdachten. Zum Teil hing es auch damit zusammen, dass sie hier im deutschen Krieg zum ersten Mal mit Wein in Berührung gekommen waren, den sie in den gleichen Mengen und mit demselben Durst konsumierten wie ansonsten das Bier. Nur mit dem gravierenden Nachteil, dass der Wein viel stärker war als ihr üblicher Durstlöscher, und somit zogen die Schweden die meiste Zeit völlig betrunken und enthemmt durchs Land. Wie auf das Wild, so wurde auch Jagd auf Bauern gemacht, von denen man sich noch ein Stück Vieh oder ein Geldstück erhoffte. Unbarmherzig wurden die Opfer misshandelt, nackt an heiße Öfen gebunden, gehängt oder an den Fußsohlen verbrannt. Am meisten gefürchtet wurde der Schwedische Trunk: Eimerweise schüttete man den armen Leuten Wasser oder gar viehische Jauche in den mit einem Stück Holz aufgesperrten Rachen, worauf man ihnen mit den Füßen in die dick angefüllten Bäuche trat oder mit Holzlatten darauf schlug. Wer das überlebte, der verriet alle Verstecke. Auch die Söldner hatten mittlerweile den Braten gerochen, dass sich viele Menschen in Höhlen vor ihnen versteckten. Deshalb hatten sie sich folgerichtig auf Menschen abgerichtete Spürhunde angeschafft, mit denen sie durch die Wälder zogen, um so die Menschen in ihren Höhlen ausfindig zu machen. Deutsche, spanische, kroatische, niederländische sowie Soldaten anderer Nationen standen den Schweden hinsichtlich der ausgeübten Grausamkeit jedoch in wenig bis gar nichts nach.
Viele Bauern waren entweder im Krieg gestorben oder hatten sich aus Verzweiflung den Söldnern angeschlossen und die Höfe einfach ihren Frauen überlassen. Dies führte dazu, dass viele Anwesen weit unter Wert verkauft wurden, weil die überforderten Frauen sich und ihre Kinder vor dem Hungertod retten mussten. Die so heimatlos Gewordenen schlossen sich zu regelrechten Bettlerheeren zusammen, die nun planlos durch ganz Europa zogen. Alle Fundamente der ein Jahrtausend alten, von den meisten als göttlich angesehenen Gesellschaftsordnung gerieten ins Wanken. Und nachdem das ganze Land geplündert war, das Vieh tot und die Felder verwüstet, kam die Pest über die Menschen. Bis zum Herbst dauerte die Seuche an, danach gab es eine große Teuerung und zu guter Letzt erneut eine Hungersnot.
Die Natur spielte allerorten verrückt: Im Winter war es so warm gewesen, dass die Mandelbäume geblüht hatten, im Sommer nun hingegen erfroren alle Obstbäume. In Bamberg erbebte die Erde. An der Nordsee wütete eine verheerende Springflut, die nicht nur Inseln entzwei riss, sondern Teile von Hamburg und seiner Hafenanlagen zerstörte, und Schiffe, Menschen und Häuser mit sich zog. Zehntausend Menschen starben allein bei dieser Katastrophe. An der Ostsee tobte ein mörderischer Sturm mit Blitzen und Donner in nie erlebter Stärke. Aus Neapel wurde eine Entzündung des Vesuvs gemeldet, der das paradiesische Land mit Felsbrocken und glühender Asche verbrannt hatte; gerade so, als wolle die Natur zeigen, dass nicht nur die Menschen das Land verwüsten und magdeburgisieren konnten. Vielerorts wurde von Himmelserscheinungen, Kometen und drei Sonnen berichtet. Wahrsager und Scharlatane hatten Hochkonjunktur.
Spätestens im Mai 1635 hatte Knoll es bereut, die Höhle verlassen zu haben. Sie waren aber bereits zu weit gewandert, um zurückzukehren. Der Hunger wurde nun zu ihrem größten Feind. Sogar mit dem wenigen Geld, das ihnen verblieben war, konnte man nichts anfangen. Es gab einfach nichts, was die Leute entbehren konnten. Und sich mit Gewalt etwas zu nehmen, das kam für ihn nicht infrage.
»Dann wäre ich ja nicht besser als die rasenden, wütenden Bestien, die das Land verheeren«, sagte er wiederholt, wenn Magdalena die Frage aufwarf, ob Verhungern besser sei als Raub: »Wer nix hat, wird halt bös!«
Fanden sie einmal ein verendetes Pferd auf ihrem Weg, so war dies ein richtiggehender Glücksfall. Knoll verscheuchte dann die Raben und verwilderten Hunde, wedelte mit einer Hand die Myriaden Fliegen beiseite und schnitt mit seinem Messer in der anderen Hand Streifen des teilweise bereits verwesenden Fleisches ab. Sie aßen es sofort und roh, an Ort und Stelle, und häufig erbrachen sie das Ganze, von Krämpfen geschüttelt, gleich wieder. Doch manchmal half es ihnen, einen weiteren Tag zu überleben. Wiederholt sahen sie Menschen, die weinend und wimmernd dabei waren, ihre Verstorbenen wieder
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