Der Fluch des Khan
Sonne auswuchs, dann dröhnten weitere Explosionen übers Wasser. Stundenlang sahen Howard und seine Besatzung zu, wie sich die Feuersbrunst entlang der Küste ausbreitete und dicker schwarzer Rauch aufstieg, der bald darauf in dichten, nach brennendem Petroleum stinkenden Schwaden über das Schiff hinwegzog.
»Wie haben die das geschafft?«, stieß der Erste Offizier aus.
»Wie konnten da Terroristen mit Sprengstoff reinkommen? Das ist eine der bestgesicherten Anlagen der Welt.«
Howard schüttelte stumm den Kopf. Jensen hatte recht. Der ganze Komplex wurde von einer bewaffneten Privatarmee unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen bewacht. Und ein Anschlag auf den Terminal auf Sea Island ist ebenfalls eine Meisterleistung in Sachen Infiltration, dachte er, auch wenn es dort, soweit er sich erinnern konnte, keine Explosionen gegeben hatte. Er konnte immerhin dankbar sein, dass sein Schiff samt der Besatzung in Sicherheit war, und dabei sollte es auch bleiben.
Sobald die Suche nach Überlebenden im Wasser abgeschlossen war, stieß Howard mit dem Tanker mehrere Meilen in den Golf hinaus und ließ das große Schiff bis zum Anbruch der Morgendämmerung im Kreis fahren.
Bei Tageslicht, als bereits Rettungstrupps aus der näheren Umgebung zum Ort des Geschehens strömten, wurde das ganze Ausmaß des Schadens offenbar. Die Raffinerie von Ras Tanura, eine der größten der Welt, war zu einer rauchenden Ruine geworden, vom wütenden Feuer fast völlig zerstört. Der Terminal auf Sea Island, an dem bis zu achtzehn Supertanker gleichzeitig mit Rohöl vollgepumpt werden konnten, war in den Fluten des Persischen Golfs verschwunden. Das Tanklager, das bis zu dreißig Millionen Barrel Öl, Benzin und andere petrochemische Produkte fasste, stand unter einer hüfttiefen Schicht aus zähflüssigem schwarzem Schlamm, der aus Dutzenden von Lecks ausgetreten war. Zudem waren zahllose Pipelines ins Landesinnere geborsten, aus denen das schwarze Gold in dicken Strahlen in den Wüstensand strömte.
Über Nacht war fast ein Drittel der saudi-arabischen Ölindustrie zerstört worden. Doch diesmal steckte kein Terroranschlag dahinter. Seismologen in aller Welt hatten die Ursache der Katastrophe bereits erkannt. Ein schweres Erdbeben der Stärke 7,3 auf der Richter-Skala hatte die Ostküste von Saudi-Arabien erschüttert. Eine Laune der Natur, beteuerten Analysten und andere Fachleute, als sie anhand ihrer Berechnungen feststellten, dass das Epizentrum knapp zwei Meilen vor Ras Tanura lag. Die Erschütterungen jedoch, die ein Erdbeben an dieser Stelle auslöste, sollten nicht nur die Länder am Persischen Golf, sondern würde in den folgenden Monaten die ganze Welt zu spüren bekommen.
11
H ang Zhou zog ein letztes Mal an seiner filterlosen Zigarette, dann schnippte er die Kippe über das Geländer. Teils gelangweilt, teils neugierig blickte er dem Glutpunkt hinterher, als er ins schmutzige Wasser trudelte, und rechnete fast damit, dass die trübe Brühe in Flammen aufging. In der schwarzen Suppe schwimmt so viel Öl, dass man damit eine Kleinstadt versorgen kann, dachte er, als die Zigarette neben einer bäuchlings treibenden Makrele verzischte.
Wie der tote Fisch bewies, waren die Gewässer rund um die chinesische Hafenstadt Ningbo alles andere als lebensfreundlich.
Zumal das ohnehin schon von einem steten Strom leckender Containerschiffe, Tanker und Trampdampfer verschmutzte Wasser durch die rege Bautätigkeit im Hafenviertel zusätzlich aufgewühlt worden war. Die nicht weit von Shanghai im Delta des Yangtse-Flusses gelegene Stadt Ningbo wuchs rasend schnell zu einem der größten Hochseehäfen Chinas heran, was teilweise an der tiefen Fahrrinne lag, die auch riesige, dreihunderttausend Tonnen schwere Supertanker passieren konnten.
»Zhou!«, brüllte hinter ihm jemand mit bellender Stimme.
Zhou drehte sich um und sah seinen Vorgesetzten, den Betriebsleiter des Ningbo Container-Terminals Nr. 3, mit weit ausholenden Schritten den Kai entlang auf sich zukommen. Der Mann, ein scheußlicher Tyrann namens Qinglin, hatte ein feistes Gesicht, das stets missmutig wirkte, und ähnelte eher einer übergewichtigen Bulldogge.
»Zhou«, wiederholte er, als er sich dem Hafenarbeiter näherte.
»Wir haben eine Arbeitsplanänderung. Die
Akagisan Maru
aus Singapur verspätet sich wegen Maschinenschadens. Deshalb überlassen wir der
Jasmine Star
ihren Liegeplatz an Dock 3-A.
Sie ist für halb acht angekündigt. Sorg dafür, dass dein Trupp
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