Der Fluch des Khan
Sprecher von LUKOIL, dass die übrigen Mitglieder des Erkundungstrupps vermisst werden.«
»Gibt es irgendeinen Hinweis, dass Avarga Oil etwas damit zu tun hat?«, fragte Giordino.
»Da man keine Spuren fand, wissen wir das nicht. Aber es wäre schon sonderbar, wenn es ein Zufall wäre, das müsst ihr zugeben.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann sagte Pitt:
»Iwan, Sie haben uns ziemlich wenig über die Besitzer von Avarga Oil erzählt. Hat die Firma auch ein Gesicht?«
»Mehrere sogar«, antwortete Korsow. »Das Unternehmen ist auf einen gewissen Tolgoi Borjin eingetragen. Man weiß, dass er eine jüngere Schwester und einen Bruder hat, aber ich konnte ihre Namen nicht in Erfahrung bringen. Die Frau, diese Tatiana, könnte durchaus seine Schwester sein. Ich werde zusehen, ob ich mehr herausfinden kann. Da die staatlichen Archive in der Mongolei nicht allzu ergiebig sind, ist nur wenig über die Familie bekannt. Den Akten zufolge ist Borjin offenbar in einer Staatskommune in der Provinz Kentei aufgewachsen. Seine Mutter starb jung, der Vater war Arbeiter und Landvermesser.
Wie ich schon erwähnte, scheint die Familie über keine besonderen politischen Beziehungen zu verfügen, und soweit man weiß, lässt sie sich auch nicht in den gehobenen Gesellschaftskreisen von Ulan-Bator sehen. Ich kann nur ein Gerücht wiedergeben, demzufolge sich die Familie aus eigenen Stücken zu Mitgliedern des Goldenen Klans ernannt hat.«
»Tiefe Taschen, was?«, fragte Giordino.
Korsow schüttelte den Kopf. »Nein, mit Reichtum hat der Goldene Klan nichts zu tun. Der Name bezieht sich auf die Abstammung.«
»Bei einem solchen Namen muss aber irgendwann im Lauf der Zeit Geld vorhanden gewesen sein.«
»Ja, vermutlich kann man das so sagen. Viel Geld und auch Ländereien. Jede Menge sogar. Genau genommen fast der gesamte asiatische Kontinent.«
»Sie wollen doch nicht etwa sagen …«, setzte Pitt an.
Korsow unterbrach ihn mit einem kurzen Kopfnicken. »Genau. Anhand der Geschichtsbücher werden Sie feststellen, dass die Mitglieder des Goldenen Klans direkte Nachkommen von Temujin sind.«
»Temujin?«, fragte Giordino.
»Ein geschickter Taktiker, Eroberer und vielleicht der größte Herrscher der mittelalterlichen Welt«, warf Pitt ein. »Besser bekannt unter dem Namen Dschingis Khan.«
18
N ach einem späten Abendessen zogen Pitt und Giordino dunkle Kleidung an, erkundigten sich an der Rezeption betont laut und auffällig nach den besten Bars in der näheren Umgebung und verließen dann das Hotel. Zwar waren ausländische Touristen in Ulan-Bator keine Seltenheit mehr, aber Pitt wusste, dass sie besser keinen Verdacht erregen sollten. Lässig spazierten sie einmal um den Block und setzten sich in ein kleines Café gegenüber dem rückwärtigen Eingang des Hotels.
Das Café war gut besucht, trotzdem fanden sie einen freien Ecktisch, bestellten sich zwei Bier und warteten, dass die Uhr zwölf schlug. Eine Schar betrunkener Geschäftsleute, die in der Nähe saßen, gröhlten lauthals Balladen, zu denen sie eine rothaarige Barfrau auf einem Saiteninstrument namens »Jattak«
begleitete. Belustigt stellte Pitt fest, dass sie allem Anschein nach immer das gleiche Lied sangen.
Punkt Mitternacht tauchte Korsow in einem grauen Toyota auf. Er bremste nur kurz ab, damit Pitt und Giordino einsteigen konnten, und gab dann wieder Gas. Korsow fuhr einen weiten Umweg durch die Stadt, der sie auch am Suchbaatar-Platz vorbeiführte. Der öffentliche Versammlungsort im Herzen von Ulan-Bator war nach dem Revolutionsführer benannt, der die Chinesen besiegt und die Mongolei 1921 an eben dieser Stelle für unabhängig erklärt hatte. Möglicherweise wäre er ein bisschen enttäuscht gewesen, wenn er gewusst hätte, dass eine einheimische Rockband, die von Teenagern in Grunge-Klamotten umlagert wurde, in dieser Nacht die Hauptattraktion war.
Der Wagen fuhr in Richtung Süden und ließ den Innenstadtverkehr bald hinter sich, worauf Korsow durch eine Reihe dunkler Seitenstraßen kurvte.
»Ich habe auf dem Rücksitz ein Geschenk für euch«, sagte Korsow lächelnd und zeigte ihnen im Rückspiegel seine vorstehenden Zähne. Giordono tastete herum und fand zwei abgewetzte braune Jacken, auf denen zwei verschrammte gelbe Schutzhelme lagen.
»Die schützen euch vor der Kälte der Nacht. Außerdem seht ihr damit wie zwei einheimische Arbeiter aus.«
»Oder wie zwei Penner auf Trebegang«, versetzte Giordino, während er eine anzog. Die
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