Der Fluch des Lono (German Edition)
Golfschläger und Nike so viele Laufschuhe. Die Achtziger werden kein erfolgreiches Jahrzehnt für Sportarten sein, bei denen sich alles nur ums Siegen dreht – ausgenommen davon sind vielleicht
Spitzenveranstaltungen des Profisports wie zum Beispiel der Super Bowl oder die Boxweltmeisterschaft im Schwergewicht. Und entweder wir gewöhnen uns an diese Vorstellung, oder wir lassen uns vom Verlieren in den Wahnsinn treiben. Manche Leute werden das bestreiten, aber nicht viele. Das Konzept »Siegen durch Verlieren« hat bereits Wurzeln geschlagen, und viele sagen, dass es vernünftig klingt. Der Honolulu-Marathon war ein Vorzeigeprojekt dieser Neuen Ethik . Der Hauptpreis bei diesem Wettlauf war ein graues »Finisher«-T-Shirt für jeden der viertausend Zieleinläufer. Das Durchhalten war der Test, und die Einzigen, die ihn nicht bestanden, waren diejenigen, die aufgaben.
Es gab kein besonderes T-Shirt für den Sieger, der mit so großem Vorsprung ins Ziel lief, dass nur eine Handvoll der anderen ihn bis zum Ende des Laufs überhaupt zu Gesicht bekam … und keiner von ihnen kam auf den letzten beiden Meilen vor dem Ziel nahe genug an MacDonald heran, um zu sehen, wie ein wahrer Sieger läuft.
Die anderen fünf-, sechs- oder gar sieben- oder achttausend Teilnehmer hatten ihre ureigenen Gründe, mitzulaufen … und genau das ist der Aspekt, den wir näher betrachten müssen; die raison d’être sozusagen … Warum laufen diese Dummbeutel eigentlich? Warum bestrafen sie sich so gnadenlos, ohne auch nur einen Preis dafür einzuheimsen? Was für ein kranker Instinkt mochte achttausend vermeintlich intelligente Menschen dazu treiben, um vier Uhr morgens aufzustehen, um dann so schnell wie nur möglich durch die Straßen von Waikiki zu torkeln? Und das 26 selbstmörderische Meilen weit, in einem Marathonlauf, bei dem weniger als ein Dutzend
von ihnen sich die Chance auf den Sieg ausrechnen durfte?
Das sind Fragen, die das Leben interessant machen können, während eines Wochenendes als Spesenritter im besten Hotel Honolulus. Aber das Wochenende ist jetzt vorüber, und wir haben unsere Basis nach Kona verlagert, 150 Meilen entfernt – an die »Goldküste« von Hawaii, wo ein jeder, der auch nur den kleinen Finger im einheimischen Immobilienmarkt hat, dir erzählt, das Leben sei besser, üppiger, gemächlicher und … ja … sogar in jeder Beziehung reicher als auf irgendeiner der anderen Inseln in diesem rauen kleinen Labyrinth aus vulkanischen Pickeln mitten im Pazifik, 5000 Meilen entfernt von allem.
Es gibt für all diese Läufer keinen vernünftigen Grund, teilzunehmen. Nur ein Narr würde zu erklären versuchen, warum viertausend Japaner im Höchsttempo an der USS Arizona , dem gesunkenen Mahnmal in der Mitte von Pearl Harbor, vorbeirennen, zusammen mit weiteren vier- oder fünftausend amerikanischen Liberalen , die sich mit Bier und Spaghetti auf Hochtouren gebracht haben und allesamt die ganze Chose so ernst nehmen, dass höchstens einer von zweitausend schmunzelt, weil ein 26 Meilen langer Wettlauf, an dem viertausend Japaner teilnehmen, am Morgen des 7. Dezembers nur einen Steinwurf weit von Pearl Harbor beginnt und endet …
39 Jahre danach. Was haben diese Leute zu feiern? Und warum an diesem blutbefleckten Jahrestag?
Es war ein grotesker Gig in Honolulu, und jetzt wird es sogar noch grotesker. Wir reden hier nämlich über
einen Sport, der ungeahnte Dimensionen entfaltet. Was aussah wie ein bezahlter Urlaub auf Hawaii hat sich zum Alptraum entwickelt – und zumindest eine Person hat zu bedenken gegeben, wir hätten vielleicht die letzte Zuflucht des liberalen Geistes vor Augen, oder doch zumindest die letzte Sache, die noch funktioniert .
Lauf um dein Leben, Sportsfreund, denn was anderes bleibt dir nicht. Dieselben Leute, die in den Sechzigern ihre Einberufungen verbrannten und dann in den Siebzigern von der Bildfläche verschwanden, haben sich jetzt aufs Laufen verlegt – als die Politik versagte und man persönliche Beziehungen nicht mehr in den Griff bekam; nachdem McGovern gescheitert war und Nixon direkt vor unseren Augen zerbarst … nachdem Ted Kennedy sich ohne die geringste Chance um den Präsidentenjob beworben und Jimmy Carter jeden zum Verlierer gemacht hatte, der je ein Wort von dem geglaubt hatte, was zu irgendeinem Thema über seine Lippen gekommen war, und nachdem die Nation sich en masse den atavistischen Weisheiten Ronald Reagans zugewandt hatte.
Also, jetzt haben
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