Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Füßen aufgehängt.
»Nein!« Arithon preßte seine Handballen gegen die Augen, ehe er zitternd frische Luft in seine Lungen sog. Umtost von einem Feuersturm der Vorhersehung, kämpfte er darum, sein geistiges Gleichgewicht zurückzugewinnen, um, an dem donnernden Wirbel aus Alpträumen vorbei, jenem Weg zu folgen, den Caolle mit seiner sorgsam ausgearbeiteten Strategie beschreiten wollte.
Er verlor die Kontrolle.
Gepeinigt von Greueltaten, die seinen Geist in Schockwellen überfluteten, beugte er sich trocken schluchzend mit revoltierenden Eingeweiden vor. Während er am Geschmack der Gallenflüssigkeit würgte, atmete er hastig ein. Schweiß lief in Rinnsalen über seinen Leib. Sein empfindlicher Körper nahm das Herabgleiten und Fallen jedes einzelnen Tropfens wahr. Noch ein Atemzug, diesmal tiefer; bruchstückhaft klarte sein Bewußtsein auf. Es gelang ihm, seinen Geist von dem giftinduzierten Sperrfeuer der Voraussehung zu lösen. Er hatte richtig gelegen, sich zu fürchten! Eine verkehrte Entscheidung, ein Kundschafter am falschen Ort oder ein Angriff zur Unzeit, und alles, was er in seinen Visionen erlebt hatte, mochte eintreten.
Arithon verstärkte seine Konzentration, und dann verfolgte er die Sequenz, nach der es ihn drängte. Seine Hand zitterte, als er vorsichtig an der Pfeife sog. Diesmal auf ein grausames Blutbad vorbereitet, wühlte er sich durch die wirbelnden Verknüpfungen der Möglichkeiten, die seinen Geist überschwemmten, um jener einen zu folgen, die von Bedeutung war.
Caolle plante, Etarras riesiges Heer flußaufwärts zu locken. Stromaufwärts, dort, wo der Fluß seicht wurde und sich in Schilfgrasflächen und Morast auffächerte, wären die streng geordneten Formationen der Städter gezwungen, sich zu verteilen. Je weiter sie vorangingen, desto weiter würde das Terrain sie auseinandertreiben, bis schließlich zwei hochaufragende, parallel verlaufende Gebirgskämme die gesamte Garnison in drei Richtungen aufteilen würden.
Als die Clankundschafter sich in seiner Vision zum Kampf stellten, beobachtete Arithon das Gefecht bedächtig langsam, während seine tienellebeeinflußte Wahrnehmung all die abzweigenden Bilder alternativer Ergebnisse berührte, die eine jede Handlung verursachen mochte. Natürliche und künstliche Barrieren würden zwei Drittel der Garnison aufhalten. Bogenschützen im Schutz von Erdwällen würden, so hoffte Caolle, das letzte Drittel ausschalten.
Arithon legte eine Pause ein, um sich zu sammeln. Die Bogenschützen würden nicht reichen, wie er sehen konnte, als die Hellsichtigkeit zuschlug und herumwirbelte, um ihm eine Kette schrecklicher Ereignisse zu offenbaren. Hinter niedergetrampelten Wällen würden Etarras Gardisten die Kundschafter der Clans wie Schlachtvieh niedermetzeln, bis die Schreie sterbender Männer in den krächzenden Rufen übersättigter Krähen untergingen; alles nur, weil die linke Flanke des etarranischen Heeres von einem Mann angeführt wurde, der die Kampfestaktik der Barbaren sein ganzes Leben lang wie besessen studiert hatte.
Der Schlächter hatte graues Haar und Hände, die schmal und ausdrucksstark waren. Das Gesicht mit den unzähligen Narben und der kräftigen Kinnpartie gehörte Pesquil, Major der Kopfjägerliga Etarras. Auf seine Anordnung hin würden Offiziere der Armee wie Jagdhunde den Berg hinaufgeschickt, um die Kämme zu sichern. Die Westdivision etarranischer Pikeniere würde sich in zwei Richtungen aufteilen und die Kraft barbarischen Widerstandes schwächen, indem sie den Bergkamm von beiden Seiten stürmten. Dann würde die Kohorte leichter Kavallerie, die durch den Bergkamm im Osten abgesondert war, einen Bogen beschreiben und das Tal von der Nordseite aus schließen. Sie würden die rechte Flanke der Barbaren zerschmettern und rechtzeitig auf Gnudsogs Truppen treffen, um den Kolonnen beizustehen, die im Marschland des Tal Quorin steckengeblieben waren.
Betäubt und unter Qualen sah Arithon voraus, wie die noch lebenden Deshans nun zusammengetrieben und ermordet wurden.
Versuche, diesem Schicksal durch ein Attentat auf Pesquil zuvorzukommen, führten nur für drei Kundschafter zu einem grausamen Tod in der Folter. Ob es einfach nur Glück oder die Gunst Daelions war, der Mann würde auf jeden Fall an dem Morgen das Kommando führen, an dem der Krieg beginnen sollte.
Gleich darauf folgte die traurige Erkenntnis, daß auch ein Mißbrauch der Schattenherrschaft und der Zauberei, selbst mit ehrbarsten Absichten, nicht
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