Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
seinem Vater, dem Piraten, hatte Arithon mit brutaler Deutlichkeit die Fertigkeiten erlernt, der es bedurfte, feindliche Schiffe anzugreifen. Stolz blähten sich die Segel seiner Schattenflotte, deren Zweck es war, die Hafenausfahrt zu blockieren, im steten Wind. Vereint bildeten die Zweimaster, über und über bestückt mit Waffen und Bogenschützen, eine perfekte Angriffsfront.
Gehetzt wie Elritzen im Angesicht der scharfen Zähne eines hungrigen Hais, standen die Schiffskommandanten vor der Wahl, sich auf einen Spießrutenlauf durch eine Keilformation bewaffneter Schiffe zu begeben, oder beizudrehen und neutrale Farben anstelle der Kriegsflaggen zu hissen, um sich freies Geleit zu erkaufen. Mit naßforscher Zuversicht kamen sie näher, waren ihre Mannschaften doch trotz der Erschöpfung und der überstandenen Gefahren keineswegs geneigt, aufzugeben.
Doch ihre Wachsamkeit reichte nicht aus; Schatten wirbelten auf, verdichteten sich, und die brennenden Pfeile, abgeschossen von Clankriegern auf den Masten der Savrid, zischten auf der Suche nach Nahrung durch die Finsternis.
Eine Dunstwolke aufsteigenden Qualms bedeckte den düsteren Himmel. Die Schreie der Matrosen, die voller Furcht von Bord sprangen, um nicht bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden, erklangen schrill über dem Knarren gequälter Planken. Noch immer läuteten die Bronzeglocken zu Werende alarmierend. Hier und dort, inmitten brennender Wrackteile, die zischend unter dem Ansturm kalter Wogen begraben wurden, manövrierten sich die unversehrt gebliebenen Galeeren durch die Fluten, um Überlebende zu bergen, die auf Gedeih und Verderb der See ausgeliefert waren.
Gegen die unglückseligen Vorgänge auf See war Lysaer machtlos. Hilflos mußte seine gewaltige Armee vom Ufer aus zusehen, und es blieb ihnen nichts zu tun, als drohend und fluchend ihre Waffen zu schwingen.
Die Katastrophe, die über die gedungene Kriegsflotte hereingebrochen war, nahm ihren Lauf, während, verborgen unter dichtem Rauch und Schatten, die Piraten sich eines Beibootes der Savrid bemächtigten und ihrer Wege zogen. Auf sie wartete ein fetter Gewinn, die Belohnung, die der Herr der Schatten ihnen für ihre Dienste versprochen hatte. Mit einem Steuermann, der wegen seiner ungetrübten Loyalität ausgewählt worden war, und zwei Matrosen, die um ihrer Heuer willen ihren Dienst taten, beschrieb die Brigg einen Bogen gen Südosten und segelte langsam die Küste hinunter. Bald blieb Werende hinter ihr zurück, verdeckt durch die bewaldete Küste der Halbmondinsel.
Die Schatten gaben den Himmel frei.
Ungetrübtes Sonnenlicht fiel durch das zerbrochene Fenster der Heckkabine herein und umrahmte den Mann am Sims mit gleißendem Schein. Langsam wandte er den Kopf. Mit einer Stimme, noch heiser von all der Anstrengung, sagte er: »Jieret, ich denke, du kannst mich nun wieder freilassen.«
Eine Bewegung ließ das schwarzmetallene Schwert aufblitzen, als seine Spitze sich aus der bedrohlichen Lage entfernte. Der rothaarige Clankrieger, der bei Lichte betrachtet kaum älter als zwanzig Jahre sein konnte, durchtrennte das Tau, mit dem sein Herr gefesselt war, ehe er die Klinge sinken ließ, als würde allein die Berührung seine Haut versengen. Das vibrierende Klirren des Metalls auf den rohen Planken ließ ihn erschaudern. Seine Hände zitterten, und es kostete ihn mehrere Minuten, mit bebenden Fingern den Eisendraht von den Handgelenken seines Herrschers zu lösen.
Als endlich die letzte Fessel herabfiel, sank er in die Knie, und seine Hände umklammerten die zerfetzten Armschienen, die das königliche Fleisch kaum vor der Gewalt hatten schützen können, die die fluchgebundene Rage hervorgerufen hatte. Er konnte es nicht ertragen, seinen Herrscher anzublicken, sich dem zu stellen, was ihm in der Miene dieses Mannes begegnen würde, dessen Stolz seinem Gehorsam zum Opfer gefallen war.
»Mein Gebieter«, hauchte er flehentlich. »Ich bitte Euch, vergebt mir.« Heftig verkrallten sich seine Finger unter der quälenden Last der Gewissensbisse in die zerfetzte Wolle. »Mögen das Gesetz Rathains und Dharkaron über mich richten, doch mir blieb keine andere Möglichkeit, Eure Befehle auszuführen.«
Arithon s’Ffalenn befreite seine wundgeriebenen Handgelenke von den Überresten der Fesseln. Langsam, als wären seine Knochen aus feinstem Glas, als müßte er zerbrechen, würde er auch nur zu tief einatmen, drehte er sich um. Für einen Augenblick hielt er die Augen geschlossen. Das
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