Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
zu Ende bringen, was Ihr begonnen habt?« Dann legte er das unheilvolle Schwert in seines Gebieters bebendes Genick, als wäre es der Schwarze Speer des Dharkaron.
Ausgezehrt, zermürbt und doch gleichermaßen durch Jierets Schmähungen und die erschütternde Schönheit der Magie, die seiner Waffe zu eigen war, vom Abgrund zurückgezerrt, senkte Arithon s’Ffalenn den Kopf. Er atmete ein. Seine gefesselten Hände entspannten und spannten sich wieder. Beschämt, die fallengelassenen Enden seines magischen Gewebes wieder aufsammeln zu müssen, reckte er endlich sein Kinn vor und machte sich daran, zu beurteilen, welcher Vorteil sich der Zerstörung abringen lassen mochte, die seine List hervorgebracht hatte.
Tumult herrschte im Hafen von Werende. In dem wilden Durcheinander krachten Schiffe in andere Schiffe. Bugspitzen bohrten sich in die Breitseiten von Galeeren, die hilflos an ihren Ankerketten hingen; Logger glitten in der Brise voran, nur um gleich darauf in Zweimaster zu krachen, deren Segel haltlos im Wind flatterten, während die überraschten Mannschaften sich darum bemühten, dem direkten Angriff des Windes zu entgehen.
All dieser Zerstörung fügte nun Arithon noch feinsinnig gesponnene Schatten hinzu. Er verdunkelte die Halbmondinsel, um ihre Küsten optisch in weitere Ferne zu rücken. Mit winzigen Schatten in den Augen verunsicherter Steuermänner verführte er jene zu Fehlentscheidungen. Die wenigen Schiffe, die sicher dem Chaos entgangen waren, wurden nun weit vom Hafen fortgelockt. Manche von ihnen liefen unter dem grausigen Kreischen berstenden Holzes auf Grund, nur um sogleich von nachfolgenden Schiffen gerammt zu werden, die nicht mehr ausweichen konnten. Andere wieder lavierten sich an eine Leeküste, und wieder andere beschrieben einen Bogen und fanden sich bald darauf erneut in dem sengenden Chaos wieder, das den Hafen Werende in seinen Fängen hielt.
Das windgepeitschte Feuer kannte keine Gnade.
Da, wo Lysaer seiner Gabe entsagen mußte, um nicht seine Verbündeten zu treffen, konnte Arithon ganz nach Gutdünken seine Schatten spinnen. Obgleich er keinen Zugriff mehr auf die Quelle seiner Magie hatte, war er geschult genug, auch ohne diese über mehr Raffinesse zu verfügen als sein Gegner. Er konnte seine Gabe nutzen, hauchdünne Illusionen zu wirken oder Wellenkronen in Ermangelung jeglichen Lichts gefrieren zu lassen. Dort, wo die Flotte vor dem Feuer floh, nutzte er die Kälte als Waffe, die Segel bersten und die Ruder in ihrer Führung festfrieren zu lassen. Manch ein geplagter Quartiermeister kämpfte darum, sich der verblendeten Steuerung zu entziehen, während die kleineren Logger von den gewaltigen Rümpfen manövrierunfähiger Segelschiffe zum Kentern gebracht und zerschmettert wurden.
Kläglich wie die Rufe der Möwen drangen die Schreie der Verwundeten auf der Brise zu Arithons Position am Fenster der Kabine. So geschickt seine Strategie, so trostlos seine Absichten, so wenig vermochte er sich all dem Leiden zu entziehen. Angespannt, sichtlich leidend, zitternd, versuchte er erneut, sich abzuwenden; nicht länger der todbringenden Berührung seiner Schattenflut zu folgen, um sich endlich seiner tiefen Verzweiflung zu ergeben.
Unbeugsam wie ein Felsen stand Jieret hinter ihm und zwang ihn mit der magischen Klinge in Händen, weiter hinzusehen, ohne ihm auch nur den kleinsten Fetzen menschlicher Gnade zu gönnen.
Da ihm nicht gestattet wurde, sich abzuwenden, konnte Arithon auch nicht wissen, daß Jieret weinte. Weiß traten die Fingerknöchel des Clankriegers an der Hand hervor, die krampfhaft das Heft des Schwertes umspannte, und in seinen Augen zeigte sich all seine Zerrissenheit, während er sich eisern und gnadenlos des eigenen Kummers erwehrte. Unbeugsam hielt er an seiner Pflicht fest. Selbst, als einige Schiffe sich unausweichlich aus der Flammenhölle des Hafens befreiten und auf die offene See zuhielten, lag die Klinge vollkommen ruhig in seiner Hand.
Zu diesem Zeitpunkt war es Arithon gelungen, seine Selbstkontrolle wiederzuerlangen. Während er seine aufgepeitschten Nerven mühsam unter Kontrolle hielt, erteilte er in scharfen, kurzen Worten dem Maat und der Mannschaft auf Deck seine eigenen Befehle. Die Männer sprangen auf, die Segel der Savrid zu setzen, auf daß sie sich im Wind blähen sollten. Ostwärts lavierte sie vor dem Hafen über den Kanal, doch nun war sie nicht mehr allein, um sie herum segelten weitere Schiffe, gesponnen aus magischen Schatten. Von
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