Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
habt den Herrn der Schatten getroffen. Ich möchte von Euch in Euren eigenen Worten ganz genau erfahren, wie es dazu gekommen ist. Niemand wird Euch eine Frage stellen, bevor Ihr geendet habt. Nehmt Euch Zeit und gebt acht, daß Ihr nichts vergeßt.«
Der Kapitän der Brigg drapierte seine zerdrückte Kappe auf seinen Knien. Mit demselben klaren Blick, mit dessen Hilfe er die Segel zu trimmen pflegte, maß er nun den hochherrschaftlichen Prinzen am Fensterbrett. Der wachsame Zug im Antlitz des Prinzen entging seiner Aufmerksamkeit ebensowenig wie die eisige Selbstkontrolle hinter der Fassade gleichmütiger Duldsamkeit. Endlich ergriff der Kapitän mit störrisch vorgerecktem Unterkiefer das Wort. »Der Mann hat mir erzählt, Ihr wäret vom Nebelgeist dazu verflucht, einander zu bekämpfen.«
»Arithon s’Ffalenn ist ein Zauberer«, konterte Lysaer. »Er würde alles sagen, um Eure Moral und Ehrbarkeit zu unterminieren.«
Des königlichen Sprosses offene Worte bereiteten dem Seemann sichtlich Unbehagen. Sein Fuß schabte über den Teppich, während sein besorgter Blick zur Seite auswich. »In dieser Sache bin ich anderer Ansicht.«
Lysaers Augen glänzten plötzlich mit der Härte geschliffenen Aquamarins. Mit einer herrischen Geste erstickte er den gekränkten Einwand seines Lordkommandanten im Keim. »Sagt mir ehrlich, warum Ihr so denkt. Ihr müßt Euch nicht fürchten, wenn Ihr aussprecht, was Ihr für die Wahrheit haltet.«
Mit langsamen, präzisen Worten beschrieb der Mann die Rolle der Savrid bei dem Überfall auf den Hafen, angefangen mit dem Akt von Piraterie, durch den sie in diese Sache verwickelt wurde, bis hin zu der Perfektion, mit der sie auf der Nordseite der Halbmondinsel sicher verankert zurückgelassen worden war.
Mit teuflischer Erfindungsgabe hatten die Piraten die Segel von den Masten geholt. Das Fall an Fock- und Besanmast war verblieben, doch fest verknotet ums Gestänge. So war die Brigg zwar unbeschädigt, doch nicht in der Lage, Segel zu setzen. Allerdings war auch ihr Kapitän nicht recht sicher, ob er die kleine Schaluppe hätte verfolgen wollen, die Arithon zu seiner Flucht benutzt hatte, wäre es ihm möglich gewesen. Was auch immer Lysaer behaupten mochte, wie immer er seine großartigen Pläne umschreiben würde, der Prinz, den er als seinen Feind betrachtete, war nicht der geborene Bösewicht, als der er allenthalben bekannt war.
Bis er seinen letzten Atemzug tun würde, würde sich der Kapitän der Savrid ewiglich an das schwarze Schwert in den Händen des Clangetreuen erinnern, der den Stolz des Mannes erschlagen und gar seinen Willen gebrochen hatte, um die verzweifelte Tat zu Ende zu bringen, die einem Krieg vorbeugen sollte.
»Wir wissen von dem Schiff, das im Außenbereich der Hafenstraße gekapert wurde«, sagte Lysaer. »Besitzt Ihr tatsächlich die Kühnheit zu behaupten, dieser Diebstahl habe nicht unter dem Schutz Arithons stattgefunden?«
»Ich sagte, er habe nicht durch seine Hände stattgefunden«, korrigierte ihn der Kapitän der Brigg. »Seine Erklärung war ganz offen. Er sagte, er ließe sich im Angesicht des Risikos, das zu unternehmen ihm bevorstand, Eure Flotte aufzuhalten, lieber mit wenig vertrauenswürdigen Seeleuten ein. Er wollte nicht, daß irgendein ehrbarer Mann die Folgen erleiden mußte, sollte sein Plan fehlschlagen. Besorgt war er. Ein jeder seiner Getreuen mochte gefoltert werden, sollte er in Gefangenschaft geraten. Er war ängstlich darauf bedacht, das zu vermeiden. Sollte aber den Kapitän, den er für den Überfall geheuert hatte, der Tod eines Schwerverbrechers ereilen, so würde dies doch zumindest der Gerechtigkeit dienen.«
Nur mit Mühe konnte sich Lysaer eines explosiven Ausbruchs enthalten. Die Hände fest um die Armlehnen des Stuhls gespannt, verzogen sich seine feinen Gesichtszüge zu einer sarkastischen Miene. »Eine ebenso plausible wie bewundernswerte Entschuldigung. Die s’Ffalenns waren schon immer äußerst gerissen. Ihr sagtet, Ihr hättet eine Nachricht für mich?«
Bebend entließ der Kapitän die Luft aus seinen Lungen, während seine derben Fäuste verkrampft auf seinen Knien lagen. Er schloß die Augen und begann zu sprechen, noch immer verfolgt von dem bewegenden Augenblick, in dem der Prinz von Rathain neben ihm auf die Knie gesunken war, um ihn von seinen Fesseln zu befreien.
»Ich werde Euch nun freilassen«, hatte Arithon gesagt. »Aber im Gegenzug bitte ich Euch um einen Dienst. Geht als Überbringer meiner
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