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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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bleiben nun nicht mehr viele Alternativen, aber noch ist nicht alles verloren. Laßt uns unseren Verstand gebrauchen und retten, was zu retten ist. Wenn wir dem Herrn der Schatten nicht kampflos den Sieg überlassen wollen, so müssen wir unsere Möglichkeiten erwägen und jene auswählen, die uns helfen können, einen weiteren Feldzug unnötig werden zu lassen.«
    Und so begann der nüchterne Prozeß, auf den Trümmern ihres Vorhabens neue Angriffspläne zu schmieden. Aus Jaelot und Alestron mochte Unterstützung angefordert werden können; ein flinker Bote wurde über die Poststation nach Süden gesandt, um die Petition in Minderl einer Galeere mit auf den Weg zu geben.
    »Wie groß muß unsere Armee sein, um in Merior anzugreifen?« fragte Lysaer so herausfordernd wie entschlossen. Sein ordentlich frisiertes, blondes Haar warf einen fedrigen Schatten über die von dunklen Ringen umlagerten, müde dreinblickenden Augen, und doch konnte die Ermattung sein Wesen nicht trüben. Nicht die geringste Spur des Kummers, der an seinem Herzen nagte, übertrug sich in seine Stimme oder sein Gebaren, als er hinzufügte: »Diese Stadt verfügt nicht über Reichtümer, hier gibt es keine Garnison und keinen strategischen Vorteil, nur einen beschwerlichen Anreiseweg. Meine Truppen aus Avenor sind abgehärtet. Sie werden einen winterlichen Marsch durchstehen. Auch die erfahrenen Krieger aus Etarra sind durchaus fähig, Rückschläge zu meistern. Wir sollten eine kleinere Flottenbesatzung zusammenstellen und uns nach Kapitänen umsehen, die zornig genug sind, ihre Schiffe zur Verfügung zu stellen.«
    Angetrieben durch den hochherrschaftlichen Einfluß stürzten sich die Würdenträger Werendes gemeinsam mit den mürrischen Offizieren geradezu enthusiastisch in eine Nacht umfangreicher Planungen. Wie durch ein Wunder führten rasche Entscheidungen dazu, daß schon im ersten Licht des kommenden Tages mit der Neuorganisation der Truppen begonnen werden konnte. Lysaer hatte kaum gegessen oder geschlafen. Er nutzte jeden Augenblick, den er der Planung und der endlosen Pflicht, aufgewühlte Handelsherren zu beruhigen, abringen konnte, um die Verwundeten zu trösten und Briefe an die Witwen der Gefallenen zu schreiben. Kein Problem war zu geringfügig, ihm seine Aufmerksamkeit zu widmen, keine diplomatische Geste zu entwürdigend, ihr Ausdruck zu verleihen.
    Ausgezehrt, frustriert oder erzürnt bis zum Ausbruch sinnloser Gewalt begegneten ihm die Männer, doch ausnahmslos verließen sie ihn mit neuer Kraft und Entschlossenheit.
    Zum Sonnenuntergang des folgenden Tages herrschte in dem Raum, der zur königlichen Beherbergung auserkoren worden war, ein wildes Durcheinander unzähliger Seekarten, ausrangierter oder zur dringenden Weiterleitung markierter Pläne und Teller mit abgenagten Fischgräten und Resten alten Brotes. Sand und Schmutz von den Stiefeln bittstellender Offiziere bedeckte die Teppiche. Die Augen gerötet, heiser vom vielen Reden und die Haut durch die übermäßige Beanspruchung durch die peitschende Seebrise entzündet, warf sich Lysaer mit verdrießlichem Schwung in die Tiefen eines gepolsterten Stuhles.
    Er sah blaß aus, als wäre er krank. Die Ansprache, die er soeben vor den Garnisonskommandanten von Rathain gehalten hatte, war ein wahres Meisterwerk der Staatskunst gewesen. Obschon er seine Pläne durchkreuzt sah, ja, gar vernichtend geschlagen worden war, hatte der Prinz nicht den kleinsten Anschein der Verzweiflung durchblicken lassen. Unter den Augen all seiner hochgestellten Führungsoffiziere, hatte er ein ungetrübtes Bild königlichen Stolzes abgeliefert.
    Nur Lord Diegan war imstande, sich vorzustellen, wie schwer ihm diese Sorge um seine Gefolgsleute gefallen sein mußte.
    Jedes Versprechen, daß Lysaer gegeben hatte, war nun gebrochen, zerstört alle Hoffnungen aus acht langen Jahren, niedergeschmettert in nur einer Stunde des Feuers und der üblen Listen eines Feindes.
    Am Morgen würden die Truppen beginnen, ihre Verbände aufzulösen, um nicht in ihren Feldlagern während der Wintermonate zu verhungern. Der Befehl war geeignet, ein Chaos auszulösen, wurden die erschöpften Offiziere doch angewiesen, umzukehren und jeden Schritt des grausamen Marsches erneut zu tun, den sie seit ihrer Abreise aus Etarra zurückgelegt hatten. Niemand sprach von den Schrecken, denen die Männer auf der beschwerlichen Heimreise durch Erschöpfung und schlechtes Wetter ausgeliefert sein würden. Kampfbereit, geschmiedet zu

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