Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
einer perfekten Waffe, waren sie nun gezwungen, den Schwanz einzuziehen, ohne ihren Stahl mit Blut benetzt zu haben. All ihre Entschlossenheit, die schwere Arbeit, die furchtbaren Mühen und der erschreckende Verbrauch von Staatsgold, all das war nun umsonst gewesen.
Major Pesquil ruhte unter einem steinernen Grabmal in der Talkluft, sein Tod nurmehr ein sinnloses Opfer, sein Name ein weiterer Eintrag auf der langen Liste derer, deren Los nach Vergeltung verlangte.
Für Lysaer s’Ilessid, der sein Leben dem Sieg über Arithon gewidmet hatte, konnte es keine schlimmere Schmach geben.
An seinem Platz am nun leeren Beratungstisch wartete Lord Diegan darauf, daß die Offiziere, die sich in kleinen Gruppen in die Ecken des Raumes drängten, zur Tür hinausgehen würden. Als schließlich das letzte Glitzern juwelenbesetzter Rangabzeichen im Dunkel jenseits der Türschwelle verschwand, rieb er sich verkrusteten Augen, die von den unzähligen Stunden der Begutachtung von allerlei Plänen bei Kerzenschein brannten. »Hoheit, du mußt dich ausruhen. Es wird schon entmutigend genug sein, dich allein von diesem Rückschlag zu erholen. Ganz gewiß wird es dir nicht weiterhelfen, dich bis zur Erschöpfung darum zu bemühen, etwas zu lindern, was nun einmal nicht mehr zu ändern ist.«
Vor ihnen bauten sich schier unüberwindliche Probleme auf. Mit der Effektivität eines Wirbelsturms waren sämtliche notwendigen Schritte für die Bergungsarbeiten eingeleitet worden, doch auf den Märkten gab es nichts mehr zu essen.
Die wenigen Schiffe, die noch seetüchtig genug waren, um neue Lebensmittel für die Stadt zu holen, hatten sich, beladen mit den besten Soldaten Avenors, nach Jaelot eingeschifft. Alle anderen Schiffe konnten nurmehr als Verlust gelten, waren nichts weiter als ein wildes Durcheinander verbrannter Spieren an den Brückenköpfen.
Das neuerliche Klopfen an der Zimmertür war keineswegs willkommen. Nur eine weitere, erbärmliche Klage, auf die der Prinz derer zu s’Ilessid gut verzichten konnte, belastete ihn doch jeder Besucher nur mit zusätzlichem Gejammer. Lord Diegan streckte seine müden Schultern, als des Majors Kammerherr den Kopf zur Tür hereinstreckte, sein Gesicht kaum mehr als ein fahler Flecken über dem zerknitterten Spitzenkragen. »Euer Lordschaft? Euer Hoheit?« Rasch fuhr er fort, bestrebt, jeglicher Abweisung zuvorzukommen. »Hier ist ein Kapitän, der bittet, vorgelassen zu werden.«
Lord Diegan verlor die Beherrschung. »Bei Ath! Schick ihn doch zu den anderen.«
»Das habe ich versucht, aber er wollte nicht gehen.« Abrupt brachen die hastig hervorgebrachten Ausflüchte des Kammerherren ab, als Diegan, die Hände bis zu den Unterarmen in dem Durcheinander auf dem Tisch vergraben, auf die Füße schoß.
»Was auch immer er will, wirf ihn hinaus!« Eine Schreibfeder beantwortete des Lordkommandanten heftige Bewegung durch einen schwungvollen Flug in Richtung Boden. »Er mag seine Forderungen vortragen, bis das Dach über unseren Köpfen einstürzt, und es wird ihm doch nichts bringen. Wir haben nichts mehr, das wir noch verteilen könnten.«
»Vergebt mir, Euer Lordschaft.« Der Kammerherr hüstelte vorsichtig. »Dieser Mann kommt nicht mit einer Forderung zu Euch. Er ist von der Brigg Savrid und behauptet nachdrücklich, er hätte Euch eine Nachricht vom Herrn der Schatten zu übergeben.«
»Er hat ein seetüchtiges Schiff?« unterbrach Lord Diegan, erstaunt genug, sich erweichen zu lassen. Gleichzeitig mit seiner zweifelnden Frage bedeutete Lysaer dem Mann, er möge den Kapitän der Savrid zur Audienz vorlassen.
Der Seemann war in einen Mantel aus dem feinen Wollstoff gehüllt, wie ihn die Händler zu tragen pflegten. Unter seinem blonden Schopf blickten ehrliche, blaue Augen offenherzig drein, als er seinen stämmigen, beinahe schon fülligen Leib mit wachsamen Schritten über den Teppich schob. Die Abdrücke dicker Stummelfinger hatten sich in die Kappe geprägt, die er in Händen hielt. Zu stolz auf seine Unabhängigkeit, sich vor einem Königssproß zu verneigen, beschränkte er sich auf ein kurzes, doch respektvolles Nicken. »Euer königliche Hoheit.«
Lysaer betrachtete ihn mit der gleichen Ruhe und Gelassenheit, derer er sich bereits befleißigt hatte, während er die vielfältigen Klagen der Männer angehört hatte.
»Ihr dürft Euch setzen«, sagte er sogleich, ehe er schweigend abwartete, bis der Mann sich einen Stuhl an dem Beratungstisch auserkoren hatte. »Ihr sagt, Ihr
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