Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Silbermünze.«
Verärgert wandte der Diener sich ab.
Richard zuckte mit den Schultern, schenkte Jana ein charmantes Lächeln, zog seinen Hut und drehte sich auf dem Absatz um. Mit lässigem Schritt marschierte er los.
Jana sah ihm verdutzt nach.
»Verzeiht mir die neugierige Frage, Ihr müsst sie auch nicht beantworten«, sagte sie zu Tom. »Verwaltet Ihr Richard Waltons Geld?«
»Die Frage ist neugierig, aber ich beantworte sie trotzdem. Vor unserer Abreise hat Sir Walter Raleigh, der Vater von Richards Frau, mir einen ganzen Sack voll spanischer Reales zukommen lassen. Sir Raleigh hat Richard auf diese Reise geschickt, aber gleichzeitig gewusst, dass er ihm kein Geld in die Hand geben darf. Richard hat keine Ahnung, wie groß die Summe ist, die ich mit mir herumtrage, und ich werde sie ihm auch nicht verraten.«
Tom hatte nicht bemerkt, wie Jana bei der Erwähnung von Raleighs Namen blass geworden war. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Sir Walter Raleigh, der Mann, der einst im Besitz der Schatzkarte von El Dorado gewesen war, hatte Richard Walton, den Mann seiner Tochter, mit einem treuen Diener und einem Sack voll Silbermünzen nach Amerika geschickt. Die beiden wollten nach Barinas und von dort aus weiter in den Westen. Es fiel Jana nicht schwer zu erraten, was die beiden Männer hier suchten. Die Frage war bloß, wie viel sie tatsächlich wussten. Sie musste es herausfinden.
»Jana, Ihr scheint mit den Gedanken gerade ganz woanders zu sein«, sagte Tom. »Ich habe Euch eben gefragt, ob wir nun in die Kirche gehen wollen.«
»Entschuldigt«, sagte Jana rasch und folgte dem kleinen Mann in den unfertigen Dom.
Orinoco Delta,
Dezember 1618
»Wir hätten den Mann zwingen sollen, uns zu begleiten«, schimpfte Conrad. »Mit seinem schnell gezeichneten Witz einer Karte finden wir nie wieder aus dieser grünen Hölle.«
Assante antwortete nicht. Egal was er gesagt hätte, Conrad hätte weitergeschimpft, und zwar zu Recht.
Nachdem ein einfacher Fischer aus Trinidad sie über den schmalen Kanal in die Sumpflandschaft des Orinoco Deltas gebracht hatte, waren sie bei einem anderen Fischer gelandet. Sie hatten dem Mann Geld angeboten, wenn er sie sicher nach Curiapo brachte, aber der Mann hatte sich lachend geweigert und gemeint, dass es ganz einfach sei, nach Curiapo zu finden, weil ohnehin alle Flussarme dort zusammenliefen und sich zu einem breiten Strom vereinten. Er hatte ihnen auf einem Stück Papier ein paar Flussläufe eingezeichnet, große Bäume, an denen sie sich orientieren konnten, und andere Naturschönheiten wie gekrümmte Baumstämme, moosbewachsene Steine und Ähnliches. Dann hatte er ihnen für die Karte und ein einfaches Ruderboot eine unverschämt hohe Summe abgenommen und sie weggeschickt. Conrad hatte zuerst nicht fahren wollen und den Mann nach weiteren Informationen gelöchert, bis Assante ungeduldig geworden war und gesagt hatte, dass es nicht so schwer sein konnte, einen Fluss entlangzurudern.
Nun waren sie seit Stunden unterwegs und hatten das Gefühl, sich im Kreis zu bewegen, denn sie schienen immer wieder an denselben Bäumen und Wurzeln vorbeizukommen.
»Es sieht alles so verdammt gleich aus«, seufzte Conrad.
Assante, der ein genaues Auge für die Natur hatte, schüttelte den Kopf.
»Das bildest du dir bloß ein«, versuchte er zu beruhigen. Wirklich wohl schien aber auch ihm nicht zu sein.
Die Temperaturen waren unerträglich heiß und die Luft so feucht, dass es schwerfiel zu atmen. Conrads Hemd klebte an seinem Oberkörper, aber er wollte es nicht ausziehen, aus Angst, die Insekten würden ihn erbarmungslos auffressen. Ständig schwirrte und surrte es an seinem Ohr, pikste ihn etwas in den Hals, den Handrücken oder in andere unbedeckte Hautstellen. Anfangs hatte er versucht, die lästigen Mücken, Käfer und Libellen zu erschlagen, aber rasch hatte er es aufgegeben. Es war ein aussichtsloser Kampf, den er nicht gewinnen konnte. Seit Stunden sahen sie sattes, feuchtes Grün in allen nur erdenklichen Schattierungen. Das Blätterdach über ihnen war so dicht und üppig, dass nur vereinzelt der Himmel durchblitzte. Aber auch ohne direkter Sonneneinstrahlung war es drückend heiß. Conrad fühlte sich wie unter einer Glocke, aus der weder Dampf noch Hitze entweichen konnten. An den Ufern wuchsen die Pflanzen bis ins Wasser. Von den Bäumen hingen Lianen, die so dick waren, dass man daran hätte entlangklettern können. Bereits vor Stunden hatten sie die erste
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