Der Fluch des Verächters - Covenant 01
den Abenden schmerzten seine überbeanspruchten Muskeln so stark, daß er ohne Nachhilfe durch Diamondraught nicht schlafen konnte. Im Ergebnis dieser Umstände sah er wenig von der Landschaft, bemerkte kaum etwas vom Wetter oder der Stimmung unter seinen Begleitern. Er mißachtete oder unterband jeden Versuch, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Der fürchterliche Eindruck, entzweigekeilt zu werden, beherrschte ihn völlig. Wieder sah er sich dazu gezwungen, die selbstmörderische Natur seines Traums anzuerkennen, die Gefährlichkeit dessen, was die unterbewußte Finsternis seines Geistes ihm zufügte. Aber das Diamondraught des Riesen und die unwahrscheinliche Gesundheit des Landes wirkten sich trotz seiner Leiden auch heilsam auf ihn aus. Infolge der Zumutungen durch Duras Rücken härtete sich sein Fleisch ab. Und ohne es gleich zu merken, entwickelte er sich zu einem besseren Reiter. Er lernte, wie man sich mit seinem Reittier bewegte, sich ihm nicht querlegte. Als er nach der dritten Nacht aufwachte, stellte er fest, daß ihn sein körperliches Unwohlsein nicht länger uneingeschränkt beanspruchte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Aufgebot das Ackerland rings um Schwelgenstein verlassen und war in öde Ebenen vorgedrungen. Man lagerte mitten in unwirtlichem Flachland; und als Covenant an jenem Morgen erstmals wieder seiner Umgebung Interesse schenkte, sah er rundum eine felsige, unbehagliche Gegend. Nichtsdestoweniger festigte sich in seinem Innern das Gefühl des Vorankommens, gewährte ihm von neuem die Illusion von Sicherheit. Wie so vieles andere lag nun auch Schwelgenstein hinter ihm. Als Schaumfolger ihn ansprach, war er wieder dazu imstande, ohne Heftigkeit zu reagieren.
»Stein und See, mein Lord!« wandte sich der Riese daraufhin an Mhoram. »Ich glaube, Thomas Covenant beliebt's, sich zurück unter die Lebenden zu begeben. Gewißlich müssen wir darin das Werk des Diamondraught sehen. Heil dir, Ur-Lord Covenant! Willkommen in unserer Gesellschaft. Weißt du schon, Lord Mhoram, daß es eine uralte Riesen-Geschichte gibt, die erzählt, wie Diamondraught einen Krieg zum Einhalt brachte? Möchtest du sie hören? Ich kann sie an einem halben Tag erzählen.«
»Wirklich?« Mhoram lachte gedämpft. »Aber wird sie auch bloß einen halben Tag beanspruchen, wenn du sie unterwegs erzählst, während wir weiterziehen?«
Schaumfolger lachte herzhaft. »Dann kann ich immer noch am morgigen Abend fertig sein. Das verheiße ich, Salzherz Schaumfolger.«
»Ich kenne diese Geschichte bereits«, sagte Hoch-Lord Prothall. »Aber ihr Erzähler versicherte mir, nicht Diamondraught sei's gewesen, was den Widerstreit beendete, der wahre Beender war das Reden der Riesen. Als die Riesen nämlich endlich damit fertig waren, nach den Ursachen des Krieges zu fragen, hatten die Widersacher so lange zugehört, daß sie die Antwort nicht länger wußten.«
»Ach, Hoch-Lord«, entgegnete Schaumfolger und prustete vor Heiterkeit, »ihr habt das mißverstanden. Die Riesen hatten ja vorher Diamondraught getrunken.« Unter den Kriegern, die lauschten, ertönte Gelächter, und Prothall lächelte, als er sich abwandte, um sein Pferd zu besteigen. Bald darauf befand sich das Aufgebot wieder unterwegs, und Covenant nahm seinen Platz an Mhorams Seite ein. Während er nun dahinritt, achtete Covenant auf die Geräuschentwicklung ihres Zuges. Die Lords und die Bluthüter verhielten sich fast völlig stumm und leise, waren mit sich selbst beschäftigt; von den Kriegern jedoch konnte er durchs Stampfen der Hufe Wortfetzen und Bruchstücke von Gesang aufschnappen. Die Krieger wirkten unter Quaans Führung zuversichtlich und bisweilen sogar eifrig, als hofften sie auf eine Gelegenheit, die Tauglichkeit ihrer langjährigen Waffenübungen erproben zu können.
»Ur-Lord«, überraschte wenig später Lord Mhoram ohne irgendeinen Übergang Covenant, »wie du weißt, sind da Fragen offen, die der Großrat dir nicht gestellt hat. Darf ich sie jetzt an dich richten? Ich wüßte gerne mehr über deine Welt.«
»Meine Welt ...« Covenant schluckte mühsam. Er mochte darüber nicht reden; er verspürte keinerlei Lust, sich noch einmal einer solchen Befragung wie vorm Rat zu unterwerfen. »Warum?«
Mhoram zuckte die Achseln. »Weil ich, je mehr ich von dir weiß, um so besser ersehen kann, was man von dir zu erwarten hat, wenn Gefahr im Anzug ist. Oder vielleicht, weil ein besseres Verständnis deiner Welt mich lehren könnte, dich recht zu behandeln.
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