Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut um Hilfe zu schreien. »Die Hälfte ist geschafft«, rief ihm Lena zu, als spüre sie sein Mißbehagen.
    Er kroch Schritt um Schritt weiter abwärts. Er bemerkte, daß er sich ganz wider Willen immer rascher bewegte. Seine Muskeln drohten zu versagen – die Beanspruchung von Knien und Ellbogen war zu groß –, und mit jeder Stufe verringerte sich seine Gewalt über das eigene Klettern. Er zwang sich zum Einhalten, um zu verschnaufen, obwohl es in seinem Innern entsetzt schrie, er müsse weiter, den Abstieg hinter sich bringen. Für einen Moment des Aufgewühltseins spielte er mit dem Gedanken, sich einfach herumzuwerfen und hinabzulaufen, in der Hoffnung, nahe genug am Berg zu sein, um lebend den Hang zu erreichen. Dann hörte er die Geräusche von Lenas Füßen, die sich seinem Kopf näherten. Am liebsten hätte er zugegriffen und ihre Knöchel gepackt, sie gezwungen, ihn aus dieser Lage zu retten. Aber selbst diese Hoffnung wirkte nichtig, und er verharrte, wo er war, zitterte. Sein Atem zischte so rauh aus seinen zusammengebissenen Zähnen hervor, daß er Lenas Zuruf fast nicht verstand. »Thomas Covenant! Bewahre Stärke! Nur fünfzig Schritte sind's noch!« Mit einem Schaudern, das ihn beinahe von den steinernen Stufen warf, begann er weiterzuklettern. Die letzten Schritte schaffte er in einem fast übermächtigen Chaos aus Krämpfen und schweißiger Blindheit – und dann war er endlich unten, lag flach ausgestreckt vorm ebenerdigen Sockel des Kevinsblicks, keuchte im Takt mit den gequälten Schreien seiner Glieder. Für lange Zeit verbarg er vor allem ringsum sein Gesicht und lauschte dem Atem, der wie mit Schluchzlauten in seine Lungen drang und ihnen entwich – lauschte, bis die Laute abebbten und er wieder ruhiger atmete.
    Als er schließlich aufblickte, sah er den blauen Himmel, den langen schwarzen Finger des Kevinsblicks zur mittäglichen Sonne gerichtet, den emporgetürmten Berghang; und Lena so nah über sich knien, daß ihr Haar fast sein Gesicht streifte.

5
     

Steinhausen Mithil
     
     
    Covenant fühlte sich seltsam geläutert, als habe er ein Gottesurteil durchgestanden, sei er einer rituellen Mutprobe der Schwindligkeit unterzogen worden. Er hatte den Abstieg bewältigt. In seiner Erleichterung war er davon überzeugt, daß er das richtige Gegenmittel für die besondere Form des Wahnsinns gefunden hatte, die ihm drohte, als er auf dem Kevinsblick das Bedürfnis nach einer realen, vernünftigen Erklärung seiner Situation verspürte. Er hob den Blick zum hellen Himmel und sah ihn rein, unverdunkelt von Aasfressern. Nur immer vorwärts! sagte er zu sich selbst. Nicht nachdenken! Überleben! Während er das dachte, blickte er in Lenas Augen und sah, daß sie lächelte.
    »Bist du wohlbehalten?« fragte sie.
    »Wohlbehalten?« wiederholte er. »Das ist eine schwierige Frage.« Die Frage veranlaßte ihn jedenfalls dazu, sich aufzusetzen. Als er seine Hände betrachtete, entdeckte er Blut an den Handballen und den Fingerkuppen. Seine Handflächen waren aufgeschürft, und als er seine Knie und Ellbogen betastete, spürte er ein schmerzhaftes Brennen. Ohne auf die Pein in seinen Muskeln zu achten, raffte er sich auf die Füße empor. »Lena, es ist wichtig«, sagte er. »Ich muß meine Hände säubern.« Sie erhob sich ebenso, aber er sah ihr an, daß sie nicht verstand, worum es ging. »Schau her!« Er streckte ihr seine Hände hin. »Ich bin leprakrank. Ich kann diese Abschürfungen nicht fühlen. Ich spüre den Schmerz nicht.« Noch immer machte sie einen verwirrten Eindruck. »Durch so etwas habe ich meine Finger verloren«, erklärte er weiter. »Ich verletzte mich und bekam eine Infektion, und daraufhin mußte mir ein Teil der Hand amputiert werden. Ich brauche Seife und Wasser.«
    Sie berührte die Narbe an seiner rechten Hand. »Die Krankheit bewirkt das?«
    »Ja!«
    »Auf dem Weg zu unserem Steinhausen fließt ein Bach«, sagte Lena, »und in dessen Nähe hat's auch Heilerde.«
    »Also gehen wir.« Schroff winkte Covenant ihr, daß sie voraneilen möge. Sie nickte angesichts seines Drängens nur und geleitete ihn unverzüglich zu einem talwärts führenden Gebirgspfad.
    Er verlief vom Sockel des Kevinsblicks westwärts an einem Felssims des steilen Berghangs entlang, bis er in einen von Geröll durchsetzten Hohlweg mündete. Infolge der krampfbedingten Steifheit seiner Muskulatur unbeholfen, folgte Covenant Lena durch den Hohlweg, dann erstieg er

Weitere Kostenlose Bücher